30. August 2020
Leben mit und für den OL: 80.Geburtstag von Helmut Conrad
Die Orientierungsläufer des USV TU Dresden können stolz sein, dass Sie mit Helmut Conrad einen Ausnahmesportler in ihren Reihen haben, welcher seine nationalen und internationalen Erfolge kaum noch zählen kann. Seine OL-Karriere ist in Deutschland, vielleicht sogar in Europa, einzigartig. Im August feierte der mehrfache Senioren-Weltmeister aus dem sächsischen Ostrau seinen 80. Geburtstag.
Es begann vor über 60 Jahren, als der 18-jährige Helmut seinen ersten OL bei der SG Wissenschaft Quedlinburg bestritt. Er hatte nach der 8. Klasse eine Tischlerlehre begonnen, erwarb „nebenbei“ Mittlere und Hochschulreife und begann an der TH Dresden Holztechnologe zu studieren. Sofort, als er nach Dresden kam, meldete er sich bei der HSG an, wo der Sportlehrer Erhard Haufe auch Orientierungsläufer ausbildete. Unter seiner Leitung entwickelte sich Helmut in kurzer Zeit zu einem Spitzenläufer, angestachelt von seinen damaligen Vereinskollegen und Konkurrenten, wie Volkmar Simon, Martin Zühlke, Wolfgang Lorenz und Harald Grosse.
Schon 1962 gehörte er zur DDR-Spitze, gewann beim Interpol (Internationaler Pokal-OL) 1964 in Hohnstein mit der Staffel Gold (Bild). Helmut startete bei allen Europa- und Weltmeisterschaften, an denen Sportler aus der DDR teilnehmen durften (nach 1972 war damit durch offizielle Vorgaben Schluss!): 1964 in der Schweiz (Le Brassus), 1966 in Finnland, 1968 in Schweden, 1970 in der DDR (bei Eisenach) und 1972 in der CSSR (Jicin). Er belegte bei allen Wettkämpfen Plätze zwischen 20 und 28.
In den 1960er und 1970er Jahren wurde er siebenmal DDR-Meister oder Vizemeister (damals gab es die verschiedenen Wettbewerbe zwischen Sprint und Ultralang noch nicht!).
Die HSG TU Dresden war zwischen 1960 und Mitte 1980 der große Favorit bei den DDR-Staffelmeisterschaften, gewann 1964, 1966, 1971, 1976, 1977, 1978, 1980, 1982, 1985.
Helmut war fast immer dabei, während seine Staffelkameraden mit den Jahren wechselten. In den 60er Jahren waren es Harald Grosse, Wolfgang Lorenz, Günter Thämelt oder Volkmar Simon, im nächsten Jahrzehnt Michael Möser, Jan Lunze und Achim Gerhardt. In den 80ern, er war bereits über 40, startete er noch immer in der 1. TU-Staffel!
Nachdem Deutschland 1990 wiedervereinigt wurde, begann Helmut eine beispiellose internationale Karriere, u.a. bei den Weltmeisterschaften der „alten Orientierer“, die Veteran‘s World Cup, Seniorenweltmeisterschaften, welche später World Masters Orienteering Championships (WMOC) hießen. Helmut nahm an vielen dieser Weltmeisterschaften teil. Allerdings zeigte er in den ersten Jahren oftmals Nerven: nach den Qualifikationsläufen in aussichtsreicher Position, „vergeigte“ er das Finale, z.B. 2006 in Wiener Neustadt (Österreich) oder 2013 in Turin (Italien).
Seine ersten Weltmeistertitel im Sprint und Lang-OL holte Helmut 2010 in der Klasse H 70 in Neuchâtel (Schweiz). Danach entwickelte er sich zum Seriensieger und zum „Skandinavierschreck“: 2011 in Ungarn (Pecs) zweimal Gold, 2012 in Bad Harzburg Gold und Silber, 2015 in Schweden war er zweimal Zweiter, 2016 in Tallin errang er zweimal Gold, 2018 in Dänemark zweimal Gold, einmal Silber schließlich 2019 in Riga mit 79 Jahren (letztes Jahr H 75!) Gold und Silber (der Sprint, den er ebenfalls gewonnen hatte, wurde annulliert).
Die vielen Medaillen, die er von Weltmeisterschaften im Ski-OL, von Mehrtages-OL’s in Tschechien, Schweden, und und und … nach Hause brachte wurden dabei nicht erwähnt!
Will man Helmuts Leistungen beim OL umfassend würdigen, muss man aber auch seine weiteren Aktivitäten nennen: Aufnahme und Zeichnung von Karten, Organisation vieler Wettkämpfe, Training mit Kindern und - last but not least – den OL-Shop, den er zusammen mit Erika seit mehr als 25 Jahren (1994) betreibt.
Mit der Herstellung von Karten befasste er sich bereits in jungen Jahren. Die erste entstand 1964 für den Harzer Isohypsenlauf. 1964 begann in Deutschland aber auch die Ära der farbigen OL-Karten mit denen von Harald Grosse (Moritzburg und Zschirnsteine). Helmuts erste farbige Karte war 1968 die der Schrammsteine, welche in OL-Kreisen das „Grüne Ungeheuer“ genannt wurde, weil er damals darauf bestand, den Wald grün darzustellen. 1980 zeichnete er die 1:10.000er Karte vom gleichen Gebiet, nun nach den Regeln der IOF. In den Folgejahren machte er viele neue Karten, vorwiegend von der Sächsischen Schweiz oder der Dresdner Umgebung, in den vergangenen Jahren auch für Sprints, z.B. in Stolpen oder in Neustadt in Sachsen. „Seine“ Karten waren die Grundlage für viele von ihm durchgeführte Wettkämpfe. Ob Helmut weiß, wie viele er organisiert hat?
Aber damit noch nicht genug! Mehrmals in der Woche trainiert er mit Kindern an Schulen, z.B. in Pirna-Copitz, Graupa, Dürrröhrsdorf oder Königstein. Zusammen mit den OL’s in Deutschland und in Tschechien, bei denen er startet, ergibt sich ein immenses Pensum.
Unter „last not least“ wurde auch der OL-Shop genannt. Seit einem Vierteljahrhundert betreibt er diesen, wobei es ohne die Unterstützung seiner Frau Erika sicher nicht so lange und so glatt gelaufen wäre. Die OLer können sich darauf verlassen, dass er eine breite Produktpalette auf Lager hat, aber auch Sonderwünsche schnell befriedigen kann. Noch ist kein Nachfolger dafür in Sicht, und so macht er auch dabei weiter.
Viel Zeit bleibt da bisher nicht für ein beschauliches Leben in seinem Häuschen in Ostrau.
Aber das ist halt Helmut!