15. Oktober 2020
Elitetipp im Oktober: ein Senioren- Hilfsmittel für alle: die Lupe
"Was ist da 'Elitetipp', wenn ein 42-jähriger Altersklassenläufer über Lupen schreibt", mögen viele denken?
Tatsächlich verwenden viele eine Lupe beim Orientierungslauf erst im Seniorenalter wenn selbst der (vergrößerte) Senioren-Kartenmaßstab von 1: 7500 zu schwierig zu lesen wird. Aber: diesen Elitetipp habe ich mit 25 geschrieben. Ich lief damals seit einem Jahr mit Lupe, obwohl ich bis heute keine Brille brauche (besser passt: keine nutze).
Denn auch für Menschen mit guten Augen ist die Lupe am Kompass von extremem Vorteil:
- man kann in schnellerem Lauftempo Karte lesen als ohne Lupe
- wichtige Details, die beim normalen Kartelesen untergehen, werden durch die Lupe offensichtlich. So werden z.B. Auffanglinien in Form von dünne Linien (wie Gräben, Bäche oder Bestandsgrenzen) viel besser wahrgenommen.
- der Postenraum wird viel deutlicher und die Lage der Objekte zueinander ist besser zu erkennen. Komplexe Höhenlinienstrukturen sind viel besser zu interpretieren.
- Dünne schwarz- und braune Linien sind besser zu unterscheiden: z.B. kleine Felswände an Höhenkurven fallen auf der Karte besser auf
- durch das bewusste Hin- und Wegklappen der Lupe schaut man sich die interessanten Kartendetails viel bewusster an. Für mich ist das Hinklappen der Lupe in Postennähe inzwischen das Signal, bewusst mit der Feinorientierung zu beginnen. Erst mit Lupe wurde mir bewusst, wie oft man eher blind, d.h. ohne vollständige Kartenkenntnis in den Postenraum läuft.
Letztendlich kann man durch Benutzung der Lupe also sowohl schneller als auch viel sicherer laufen.
die richtige Anwendung
Natürlich kommt es darauf an, die Lupe „richtig“ zu benutzen. Die ganze Zeit nur mit Lupe Karte zu lesen halte ich für nicht sinnvoll. Wenn man so schlecht sieht, dass man die Karte auch nicht zwischen den Posten richtig erkennen kann, sind Brille oder Kontaktlinsen eher an der richtigen Stelle. Die Lupe benutze ich nur dort, wo es darauf ankommt, möglichst genau die einzelnen Objekte zu erkennen. Ansonsten ist die Lupe weggeklappt, damit der Überblick über Bahn, Postenübergang und Routenwahl nicht verloren geht. Erkenne ich Details nicht auf den ersten Blick zufriedenstellend oder komme ich in Postennähe von schwierigen Posten, klappe ich die Lupe ganz bewusst auf die Karte. Ich versuche dann, mir die wichtigen Details genau einzuprägen. Das kann auf einer Elitebahn in Deutschland nur an einigen wenigen Stellen notwendig sein, international manchmal an jedem Posten. Das wichtige ist, dass man genau dann, wenn man etwas genau erkennen möchte, auf die Lupe zurückgreifen kann und so einen Fehler verhindert. Oder auch einfach nur Zeit gewinnt, weil man schneller weiterlaufen kann.
Das weit verbreitete Vorurteil, durch die Lupe verliere man das Entfernungsgefühl, weil man plötzlich einen „neuen Kartenmaßstab“ unter der Lupe hat, kann ich nicht bestätigen. Es ist so, dass man im Postenraum oder bei sehr detaillreichen Passagen fast nur auf die Lage und auf die relative Entfernung der Objekte zueinander schaut. Schrittmaß und Entfernungsgefühl sind Techniken, die man eher in detailarmem Gelände verwendet, wo man die Lupe nicht benutzt.
Es allerdings wichtig, dass man die Lupe nicht beim ersten Mal gleich bei einem wichtigen Wettkampf einsetzt. Um die Benutzung der Lupe in seine eigene Postenroutine einzubauen und um mögliche Probleme in aller Ruhe beheben zu können ist es wichtig, vorher einige Trainings mit ihr gemacht zu haben.
verschiedene Modelle
Bei Lupen gibt es einige verschiedene Modelle zur Auswahl. Es kommt vor allem darauf an, dass die Lupe zum Kompass passt und dass man sie in irgendeiner Weise wegklappen kann, um die Karte auch einmal ohne Vergrößerung zu sehen.
Manche Plattenkompasse sind serienmäßig mit Lupe ausgestattet. Lupen gibt es für Daumenkompasse zum „Anbauen“ wie von MOSKOW oder SILVA oder als eigene Daumenlupe, wenn man einen Plattenkompass verwendet. Bei den Anbaumodellen gibt es Variationen für die rechte oder linke Hand! Leider ist der Befestigungsstab sehr spröde, so dass er bricht wenn man drauffällt oder sich ungünstig abstützt. Hier wäre es besser wenn die Hersteller einen flexiblen Stab verwenden würden.
Da Lupen eine gewölbte, sehr kratzempfindliche Oberfläche haben, sollte man sie zum Transport in eine Tuch einwickeln, um Kratzer zu vermeiden.
Autor: Ingo Horst (2003)
Der Elitetipp erscheint monatlich auf o-sport.de. In ihm werden verschiedene Leute über spezielle Themen im OL berichten, mit denen sie sich auskennen. Der Elitetipp soll dazu anregen, selbst darüber nachzudenken, was man alles besser machen könnte im OL.
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