14. Juli 2024
WOC Einzelsprint
![Hanna Müller](/assets/news-images/DSC1353__ScaleWidthWzY0NV0.jpg)
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Als einzige deutsche Starterin überstand Hanna Müller die Qualifikation zum Weltmeisterschaftssprint am Freitagmorgen. Nachmittags durfte sie also im Stadtkern Edinburghs im Finale mitkämpfen und überzeugte als 28. Deutsche Herren konnten sich leider nicht qualifizieren. Die Siege in beiden Kategorien gingen nach Schweden, es gewannen Tove Alexandersson und Martin Regborn.
Qualifikation
Sechs Deutsche standen am Freitagmorgen um kurz nach 9:00 Uhr schottischer Zeit an der Startlinie zu ihren Qualifikationsläufen im Einzelsprint. Das Team war gut vorbereitet, die anderen Teams auch. In den letzten Tagen vor dem Wettkampf stand noch intensives Kartenstudium auf dem Programm, körperlich wurde nach dem Modelevent der Fokus auf die Erholung gelegt. Der Bahnleger warf die Athletinnen und Athleten sogleich in ein unübersichtliches Wohnviertel im Hafengebiet Leith am Stadtrand Edinburghs. Ein paar kleine Fußwege und Treppen wanden sich zwischen den Häusern entlang, sodass Kontrollebehalten gefordert war, denn unter anderem eine Sperre auf der zentralen Kreuzung des Startgebiets sorgte dafür, dass eben diese Fußwege auch genutzt werden mussten. Nach einer langen Routenwahl auf die andere Seite des Flusses änderte sich der Charakter etwas, das Tempo musste weiter erhöht werden. Die Straßen waren hier breiter, ein hohes Tempo damit auch koordinativ einfacher. Die Kartenarbeit blieb wichtig, denn wer die Eingänge in Hinterhöfe verpasste, verlor Zeit, wer die falsche Gabelung anlief sogar gleich jede Chance sich fürs Finale zu qualifizieren.
Aus deutscher Sicht lief die Qualifikation durchwachsen. Hanna Müller konnte sich knapp als 15. fürs Finale qualifizieren. Im Anfangsteil hatte sie Schwierigkeiten und berichtete später, bis zum Geländewechsel immer mit Kartelesen hinterher gewesen zu sein. Weil es von Posten 6 an aber sowohl technisch als auch physisch gut lief, reichte es gerade noch. Etwas Pech kam für die anderen hinzu. Bojan Blumenstein und Anselm Reichenbach hatten am Ende doch die eine Unsicherheit zu viel zu verzeichnen, sie wurden in ihren Heats jeweils 16. mit 8 bzw. 3 Sekunden, die zur Qualifikation fürs Finale fehlten. Auch Birte Friedrichs fehlten nur zwei Plätze, der zeitliche Rückstand war bei ihr etwas größer. Keinen guten Tag erwischten Felix Späth und Paula Starke, beide hatten mit ihren Läufen keine Chance aufs Finale.
Im internationalen Feld gab es in der Qualifikation keine nennenswerten Geschehnisse, die Favorit*innen qualifizierten sich sämtlich sehr souverän. Bei den Herren ging es gewohnt eng zu, bei den Damen konnten drei Athletinnen ihre Topform schon im Vorlauf unter Beweis stellen: Megan Carter Davies, Simona Aebersold und Tove Alexandersson gewann mit jeweils etwa 30 Sekunden Vorsprung.
Finale
Das Finale fand gleich am Nachmittag statt. Bei untypisch schottischem Sonnenschein ging es für den Großteil des Teams direkt in die Arena, um Teamkollegin Hanna lautstark auf den letzten Metern unterstützen zu können. Sie startete resultierend aus der Qualiplatzierung früh und brachte einen hervorragenden Lauf ins Ziel. Wie gut der Lauf war, zeigte sich, indem sie sich mit ihrer Zeit lange auf den ersten Plätzen hielt, auch, als viele weit nach ihr gestartete mit schlechteren Zeiten ins Ziel kamen. Grundlage zu dem guten Lauf war die Startphase. Anders als in der Qualifikation kam Hanna gut in die Karte. Nach zwei fairen Posten zum Einfinden wartete ein Häuserblock typisch schottischer Innenstadtart auf die Läuferinnen: Viele, schmale, parallele Gassen. Dazu kam eine kleine Brücke mit Ebenenübergang und ein paar klug platzierte Sperren – speziell dieser Häuserblock war auch in der Vorbereitung schon intensiv studiert worden. Alle Läuferinnen starteten mit gehörigem Respekt, sodass in diesem Bereich die großen Fehler ausblieben. Hanna konnte trotzdem glänzen, zu Posten 5 hatte sie Postenbestzeit – das schafft man auch nicht in jedem Lauf, gegenüber der Weltspitze eine solche herauszulaufen.
Den Kartenwechsel an Posten 7 nutzte der Bahnleger, um die Läuferinnen mit neuen Herausforderungen zu konfrontieren. Eine erste großräumige Routenwahl hinein in das schlossähnliche Gelände der George Heriot’s School war mit wenig Vorbereitung zu treffen, für die noch komplexere Routenwahl zu Posten 13 hatten die Athletinnen etwas mehr Zeit. Ein paar letzte, besonders physisch fordernde Posten schlossen die Strecke ab. Nach dem Kartenwechsel war der Zeitpunkt, zu dem für viele Athletinnen die Probleme begannen. Auch für Hanna, doch sie konnte ihren Zeitverlust in Grenzen halten. Sie lief von Posten 8 ab, entschied sich aber nach dem Rauslaufen um und schwenkte auf die andere Route über, ohne zu berücksichtigen, dass die Route vom Posten aus vielleicht besser war, nicht aber wenn man schon so weit abgelaufen war, sodass 35 Sekunden verloren gingen. Das blieb ihr einziger Zeitverlust – in der Folge brachte sie den Lauf technisch einwandfrei und physisch stark zu Ende und übertraf mit Platz 28 ihre Erwartungen. Einen Dank richtete sie auch ans Team: „Ich war sehr froh, dass sich alle anderen so gut vorbereitet hatten und mir alles gezeigt haben, sodass ich kurzfristig auch ganz gut vorbereitet war!“ Hanna hatte die Weltmeisterschaften ursprünglich auslassen wollen, um sich auf den Abschluss ihrer Promotion zu konzentrieren. Erst als sich am Dienstag abzeichnete, dass Patricia Nieke erkältungsbedingt nicht starten können würde, reiste sie Donnerstag früh nach.
Das Damenrennen prägten lange die Technikerinnen im Startfeld. Nur wenige Minuten nach Hanna startete die Norwegerin Ane Dyrkorn, die im technisch anspruchsvollen Sprint in Genua auf sich aufmerksam gemacht hatte. Sie blieb eine ganze Weile in Front, bis sie von Isia Basset (FRA) abgelöst wurde. Die 30-jährige ist nicht unbedingt als temporeichste Sprinterin des französischen Teams bekannt, dieses Rennen kam ihren Stärken aber entgegen und sie belohnte sich letztlich mit einem starken siebten Platz. Beste Britin an diesem Tag war nicht die vorher favorisierte Megan Carter Davies. Wie so viele andere auch verlor sie massig Zeit auf dem Weg zu Posten 9, als sie in eine Sackgassenfalle hineinlief, die die Läuferinnen auf der Luftlinie anlachte. Auf Platz 6 kam Grace Molloy, die sich zuletzt insbesondere läuferisch stark entwickelt hatte. Malin Agervig Kristiansson wurde fünfte. Auf der ersten Streckenhälfte hatte die Dänin sogar geführt, 30 Sekunden und damit definitiv die mögliche Medaille verlor sie aber auf dem Weg zum eigentlich recht einfachen Posten 10. Aleksandra Hornik (POL) verlor auf der komplizierten Route zu Posten 13 durch eine schlechte Route 34 Sekunden. Für sie blieb Platz 4, ihr Speed vor allem in der zweiten Hälfte des Rennens hätte aber sogar Siegerin Tove Alexandersson in Gefahr bringen können. Die Medaillen teilten sich die Athletinnen auf, die wohl jede*r erwartet hatte. Natalia Gemperle (SUI) erlief die Bronzemedaille. Ihr wurde ein schwacher Start zum Verhängnis, denn dort verlor sie schon so viel Zeit, dass auch eine schnelle zweite Rennhälfte nur noch zu Platz drei reichte, um fünf Sekunden fing sie Aleksandra Hornik noch ab. Teamkollegin Simona Aebersold war insbesondere in der Startphase stärker als Gemperle. An Posten vier hatte Aebersold schon fast zwanzig Sekunden Vorsprung auf die Bronzemedaillengewinnerin. Ein solides Polster, von dem sie bis ins Ziel zehrte. Und positiv für Aebersold: Auch Alexandersson war nicht schneller unterwegs. Beide hatten im Verlauf des Rennens kleine Unsicherheiten, an Posten 12 lagen sie im Abstand von einer Sekunde. Auf der folgenden Verbindung aber machte die Schwedin den Unterschied: Sie war 11 Sekunden schneller als alle anderen, 18 Sekunden schneller als Aebersold auf derselben Route. Und so hieß es einmal mehr: Gold für Schweden!
Schon vor den Damen lief das Rennen der Herren. Die Bahn war der Damenbahn sehr ähnlich – sie durften die schmalen Gassen im Anfangsteil für einige Posten mehr genießen, zusätzlich ging es noch einmal in einen Innenhof, kurz bevor der Hang hinunter in die Arena in Angriff genommen wurde. Prägende Zeit des Rennens war jene von Emil Svensk. Der Schwede hat schon einen Weltcupsieg in diesem Jahr zu Buche stehen, startete aber nach nur Platz 11 in der Qualifikation frühzeitig. Er zeigte, dass das wohl nur ein Ausrutscher war. Ein Zeitverlust auf der ersten komplizierten Route zu Posten 3 war zu finden, ansonsten zeigte er eine medaillenwürdige Performance. Kurz nach ihm kam ein junger Ungar, der für Furore sorgte. Zoltan Bujdoso stellte die Konkurrenz auf den ersten Zwischenzeiten in den Schatten, hielt bis zum Kartenwechsel sogar die absolute Laufbestzeit. Er schaffte es jedoch nicht die Kontrolle zu behalten. Der nächste, der sich anschickte, Svensks Zeit anzugreifen, war der Neuseeländer Joseph Lynch. Es reichte zwar nur zu Platz 7, doch dieser Lauf stellt das mit Abstand beste Ergebnis des 24-jährigen dar. Direkt vor ihm landete zum Ende des Rennens Teamkollege Tim Robertson, der nach Verletzungsproblemen rechtzeitig wieder fit geworden scheint. Richtig ernst wurde es für den Führenden, als ein weiterer Schwede kam: Gustav Bergman lief wohl das beständigste Rennen all derer, die weit vorn zu finden waren und lag insbesondere in der Anfangsphase nie weit hinter den dort Führenden zurück. Es wurde gegen Ende aber doch knapp gegenüber seinem Teamkollegen, mit dem besseren Ende für Svensk. Der Titelverteidiger Kasper Fosser (NOR) war es kurz nach Bergman, der die Zeit Svensks endgültig ins Wanken brachte. Er lag komfortabel in Front, fast dreißig Sekunden vor Svensk. Sicher, präzise, auf dem Weg in Richtung Titelverteidigung. Als er den Hang hinab zur Arena lief, glaubten die Zuschauer*innen wohl zunächst dem GPS nicht. Fosser lief den Bürgersteig an der Straße entlang, der für die Wettkämpfer gesperrt war. Er bemerkte es, als er unten am Hang war, lief wieder hinauf. Gnädigerweise wurde er nicht disqualifiziert, lief er doch auf gleichem Weg zurück und war mit über einer Minute Zeitverlust bestraft. Er war bei weitem nicht der einzige Mann, dem dieser Fehler passierte. Völlig unter dem Radar der Kommentatoren und Zuschauenden lief der junge Italiener Francesco Mariani. Von Beginn an lag der Juniorenweltmeister von 2021 ein Stück hinter der Spitze zurück, doch er hielt den Abstand und kam schließlich auf Platz 5. Fällt etwas auf? Bisher wurde gar nicht über Schweizer Herren berichtet! Das durfte nicht so bleiben, denn einer kam noch: Bei seinem WM-Debüt konnte Tino Polsini vollends überzeugen. Er war der erste, der Svensks Zeit schlagen konnte, nach langer Zeit musste der Schwede den Leader’s Chair räumen. Einer kam aber noch: Der Weltcupführende, Martin Regborn (SWE). Wie Landfrau Alexandersson nutzte er die Routenwahl zu Posten 15 (13 der Frauen) für die Entscheidung. Der direkten Konkurrenz nahm er zehn Sekunden und mehr ab, obwohl er nicht auf der Route Alexanderssons lief, die vom Bahnleger als beste deklariert worden war. Am Ende siegte er überlegen, 23 Sekunden betrug sein Vorsprung auf Polsini.
Die nächste Entscheidung steht schon am heutigen Sonntag an. In der Sprintstaffel kämpfen Hanna Müller, Felix Späth, Anselm Reichenbach und Birte Friedrichs um eine Top14-Platzierung. Start ist um 13:40 Uhr, die Übertragung startet um 13:30 Uhr.
Ergebnis
Damen
1. Tove Alexandersson (SWE) 16:14 Minuten
2. Simona Aebersold (SUI) +0:15
3. Natalia Gemperle (SUI) +0:19
28. Hanna Müller +2:25
Herren
1. Martin Regborn (SWE) 15:58 Minuten
2. Tino Polsini (SUI) +0:23
3. Emil Svensk (SWE) +0:27
![Birte Friedrichs Birte Friedrichs](/assets/news-images/DSC0085.jpg)
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![Paula Starke Paula Starke](/assets/news-images/DSC0546.jpg)
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![Anselm Reichenbach Anselm Reichenbach](/assets/news-images/DSC9445.jpg)
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![Bojan Blumenstein Bojan Blumenstein](/assets/news-images/DSC9731.jpg)
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![Felix Späth Felix Späth](/assets/news-images/53852184844_e614b26ce5_o.jpg)
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![Emil Svensk Emil Svensk](/assets/news-images/DSC0830.jpg)
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![Tino Polsini Tino Polsini](/assets/news-images/DSC1205.jpg)
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![Martin Regborn Martin Regborn](/assets/news-images/DSC1221.jpg)
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![Natalia Gemperle Natalia Gemperle](/assets/news-images/DSC1817.jpg)
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