11. Juli 2023
WOC 2023
In dieser Woche stehen die Weltmeisterschaften im Flimstal an. Ein achtköpfiges, deutsches Aufgebot geht an den Start und wird um die Platzierungen laufen. In diesem Jahr werden die Entscheidungen in den Walddistanzen gesucht: Mitteldistanz, Langdistanz und Staffel.
Das Programm
Mit der Qualifikation in der Mitteldistanz starten die Wettkämpfe bereits am heutigen Mittwoch. Es qualifizieren sich die besten 15 jedes Vorlaufes, darüber hinaus noch bis zu 15 weitere AthletInnen aus Nationen, die nicht unter diesen vertreten sind. Es folgt am Donnerstag die Langdistanz. Nach einem Ruhetag findet am Samstag das Mittelfinale statt, Sonntag steht zum Abschluss die Staffel an. Alle Medaillenentscheidungen werden selbstverständlich über den verbandseigenen Streamingdienst der IOF übertragen. Ein Ticket pro Wettkampf kostet 9€, für alle drei Wettkampftage kostet es 25€.
Mittwoch, 12.07., 10 – 13 Uhr
Mitteldistanz-Qualifikation, kein Broadcast
Donnerstag, 13.07., 9 – 16:30 Uhr
Langdistanz-Finale, Broadcast ab 12:00 Uhr
Samstag, 15.07., 10:30 – 15 Uhr
Mitteldistanz-Finale, Broadcast ab 11:30 Uhr
Sonntag, 16.07., 12 – 16:30 Uhr
Staffel
Das Team
Vier Damen und vier Herren vertreten die deutschen Farben bei dieser WM. Dabei stehen gleich zwei WM-Debütanten im Aufgebot. Sowohl Hanna Müller als auch Jannis Schönleber (beide Gundelfinger TS) starten zum ersten Mal bei einer Weltmeisterschaft. Während Jannis die Mitteldistanz läuft, wird Hanna über beide Einzeldistanzen an den Start gehen.
Als Teamleader darf inzwischen Bojan Blumenstein (OSC Kassel) gelten. Er tritt in diesem Jahr nur über die Mitteldistanz an. Außerdem dabei sind Ole Hennseler (MTV Seesen) über die Langdistanz und Erik Döhler (TUS Karlsruhe-Rüppurr), der beide Einzelformate absolvieren wird. Bei den Damen starten Paula Starke über die Langdistanz, Patricia Nieke (beide USV TU Dresden) und Birte Friedrichs (MTV Seesen) werden die Mitteldistanz in Angriff nehmen. Über die Aufstellung der Staffeln entscheiden AthletInnen und Trainerteam vor Ort je nach Form.
Das Trainerteam besteht aus Thomas „Chrafti“ Meier, Josef „Pepa“ Neumann und Physiotherapeutin Cosima Marckardt.
Zwei Trainingslager in den letzten eineinhalb Monaten absolvierte das Team im Wettkampfort Flims-Laax. Hier konnte einerseits in unmittelbarer Nachbarschaft zu den WM-Geländen trainiert werden, andererseits konnte sich an die Höhenluft akklimatisiert werden.
Erik Döhler, der seit dem letzten Jahr in der Schweiz lebt und trainiert, also auch kurze Anreisewege in relevante Gelände hat, hat hohe Erwartungen an sich selbst. Ihm fehlt noch die reichhaltige WM-Erfahrung, wie sie beispielsweise Bojan inzwischen hat, durch vielversprechende Ergebnisse beim Weltcup und bei den Selektionsläufen sieht er sich aber gut für Mittel- und Langdistanz gewappnet.
Bojan Blumenstein ist einer derjenigen, die die letzten Wochen ebenfalls ausschließlich in der Schweiz verbrachten. Zunächst blieb der Wahlnorweger direkt auf den Trainingskarten am Wettkampfort, bevor er noch für einige Tage einen Ortswechsel ins Val Mustair vollzog. Er wird die Langdistanz in diesem Jahr nicht laufen, denn nach einem guten Wintertraining legte ihn eine hartnäckige Coronainfektion für 1,5 Monate auf Eis. Erst seit Ende Mai kann er wieder uneingeschränkt trainieren, sodass die Anzahl relevanter Trainings etwas niedriger ist als in Tschechien vor zwei Jahren. Bei den skandinavischen Staffeln hat er aber bereits wieder gezeigt, dass er auf einem guten Weg ist. Das Ziel bleibt also unverändert: Top20, und mit der Staffel ein ähnliches Ergebnis wie vor zwei Jahren.
Auch bei Ole Hennseler lief die Vorbereitung alles andere als optimal. Die physische Form nach dem Winter stimmte und auch technisch lief die Vorbereitung im Gelände gut. Bei den Testläufen vor einigen Wochen schlug er sich aber das Knie so ungünstig auf, dass er für einige Zeit nicht im Gelände laufen konnte. Laufbandtraining mit Memos stand also auf dem Programm – 70 Minuten, 15% Steigung, 1200 Höhenmeter – was man so tut für den Traum von der WM-Langdistanz. Sein Optimalziel bleibt eine Top30-Platzierung, so ungünstig die Vorbereitung, so viel größer ist jetzt die Motivation für den Wettkampf, auf den er sich schon länger freut.
Jannis Schönleber wird das erste Mal für Deutschland an den Start gehen. Im Jugend- und Juniorenbereich lief er lange für die Schweiz, durchaus erfolgreich unter anderem mit einer Bronzemedaille beim JEC im Sprint. Nach einer längeren Verletzungspause und fehlender Motivation stieg er im letzten Jahr wieder in den Leistungssport ein, vollzog den Farbenwechsel und plante sein Comeback eigentlich erst zur EM in Italien im Oktober, da er vorallem über die Physis kommt. Zuversichtlich, zum Jahreshöhepunkt sein Leistungsvermögen voll ausschöpfen zu können, peilt er die Mittelfinal-Teilnahme an. Neben dem Sport ist Jannis zur Zeit Doktorand an der ETH Zürich, wo er im Bereich der Hardware Acceleration für künstliche Intelligenz promoviert. Er teilt sich dort ein Büro mit einer anderen Deutschen: Hanna Müller.
Durch die Nähe zu den Wettkampfgeländen sieht sich auch Hanna Müller gut vorbereitet. Wie gut, zeigte sie unter anderem beim ersten Testlauf über die Mitteldistanz. Sie wurde dort 13. „Ich bin langsam schon etwas nervös und fange an zu zweifeln ob die Form wirklich stimmt und ich das Gelände im Griff habe“, erzählt sie trotzdem im Vorfeld der WM. Konkrete Platzierungsziele kann sie bei ihrer ersten WM-Teilnahme nicht festmachen, das Mitteldistanzfinale soll es aber schon sein.
Wie bei den Herren auch, mit Patricia Nieke gibt es eine Athletin, deren bis dahin gute Vorbereitung von Corona einmal mehr komplett ausgebremst wurde. Zwei Monate musste sie fast komplett pausieren, bevor sie langsam wieder einsteigen konnte. „Dafür ist die Form jetzt ganz passabel.“ Die vergangenen Wochen verbrachte sie ebenfalls in der Schweiz bei Training und Homeoffice. Patricia berichtet wohl von der längsten Vorbereitung aller deutscher AthletInnen: „Ich profitiere bestimmt auch immens davon, dass ich als kleiner Sachsenkader schon 2009 und 2011 durch die WM-Wälder geirrt bin“ – damals noch in der D14/16. Ziel bei dieser WM ist auch für sie die Teilnahme am Mittelfinale. In der Staffel wollen sie das Ergebnis von vor zwei Jahren bestätigen – zum ersten Mal seit langem ohne Susen.
Birte Friedrichs‘ Vorbereitung lief ebenfalls nicht optimal. Der Grund bei ihr lag allerdings im Beruflichen. Im Mai schrieb sie ihre Abschlussprüfungen zur Vermessungsbeamtin, erst danach konnte sie sich voll aufs Training für die WM fokussieren. Läuferisch konnte sie ihre Form in den letzten Wochen auf ein akzeptables Niveau bringen, technisch brachten ihr die Trainingslager im Juni viel. So gilt auch für sie, wie für die anderen Deutschen: Mitteldistanzfinale.
Auf gutem Weg sieht sich die letzte deutsche Starterin Paula Starke. Die Form ging in den letzten Wochen steil bergauf, genauso wie es sein sollte. Als letztes hartes Training konnte sie sich beim Göttinger Altstadtlauf in der Vorwoche die Bestätigung der Form holen. Selbstbewusstsein im Gelände tankte sie im letzten Trainingslager Ende Juni, nachdem bei den Testläufen technisch noch nicht alles zusammenpasste. Auf der Langdistanz erwartet sie einen Wechsel aus halboffenen und bewaldeten Bereichen, der Respekt ist vorallem vor den langen Bergabpassagen vorhanden. Eine Platzierung unter den Top40 sieht sie für sich zum ersten Mal als tatsächlich realistisch an.
Das Gelände
Auf der Langdistanz erwartet die AthletInnen typisches Schweizer Alpengelände. Das Gelände befindet sich zwischen 1000 und 2000 Metern über dem Meeresspiegel. Die Anpassung an die Höhe wird also eine Rolle spielen. Die Arena liegt im unteren Bereich der Karte. Die AthletInnen werden mit der Seilbahn ins Gelände gebracht, neben 500 Steigungsmetern ist also auch mit vielen negativen Höhenmetern zu rechnen. Steile Anstiege und Abhänge sind zu erwarten, teils auch oberhalb der Baumgrenze. Erst im unteren Bereich werden die Hänge etwas flacher und die Höhen runder.
Die Mitteldistanz und die Staffel finden im Bereich um den Crestasee und den Caumasee statt, direkt oberhalb des Rheintals. Geprägt wird dieses Gelände durch eine diffizile Höhenstruktur, das durch den größten Felssturz im Alpenraum geschaffen wurde. In Kombination mit diffusem Grün wird es hier auf Genauigkeit und Kampfeswillen ankommen.
Die FavoritInnen
Noch mehr als bei den Junioren kommen die Favoriten und Favoritinnen aus Skandinavien und der Schweiz.
Bei den Damen werden die Medaillen, wie so oft in den letzten Jahren, nur über Tove Alexandersson zu vergeben sein. Sollte sie abliefern, wird es schwer für ihre Konkurrentinnen. Eine große Konkurrentin kommt aus dem eigenen Lager: Sara Hagström hat sie in diesem Jahr bereits beim Mitteldistanz-Weltcup in Norwegen schlagen können. Und auch ein Mitteldistanz-Testrennen konnte sie bereits vor Ort gegen ihre Kollegin gewinnen.
In heimischem Gelände wird es auch den Schweizerinnen ein großes Anliegen sein, endlich die WM-Dominanz Alexanderssons zu durchbrechen, die zuletzt 2018 bei einem Waldrennen bei der WM nicht zuoberst stand. Mit Simona Aebersold und Natalia Gemperle gibt es gleich zwei aussichtsreiche Kandidatinnen. Darüber hinaus gehört Elena Roos zum erweiterten Favoritenkreis.
Nicht zu unterschätzen sind die Norwegerinnen mit Andrine Benjaminsen, Marie Olaussen und Ingrid Lundanes. In der Staffel könnten sie ein Geheimtipp sein. Weitere Außenseiterinnen sind die Finnin Marika Teini, Megan Carter Davies aus Großbritannien und Sandra Grosberga aus Lettland.
Noch größer und offener ist das Favoritenfeld der Herren. Ein heißer Tipp sind, vor allem mit Heimvorteil, die Schweizer, die mit gleich vier potentiellen Siegkandidaten anreisen: Daniel Hubmann, Matthias Kyburz, Joey Hadorn und Florian Howald. Alle vier werden den großen Shootingstar Kasper Fosser aus Norwegen herausfordern. Mit Kyburz kommt der aktuelle Mitteldistanzchampion aus der Schweiz, Daniel Hubmann konnte die Langdistanz in Davos im letzten Herbst gewinnen. Jetzt wird die Konkurrenz noch besser vorbereitet sein.
Die großen Namen aus Schweden sind Gustav Bergman und Emil Svensk. Aber egal, wer aus diesem Team antritt – Viktor Svensk, Simon Hector, Simon Imark - Top6-Kandidaten sind sie alle. Aus Finnland hat sich Olli Ojanaho hat sich in den letzten Jahren zur großen finnischen Hoffnung gemausert.
Außenseiter auf die Top10 kommen mit Tomas Krivda unter anderen aus Tschechien, Jannis Bonek aus Österreich oder Riccardo Scalet aus Italien. Vielleicht können auch die beiden Franzosen Mathieu Perrin und Lucas Basset vorn mitmischen.
Was sonst noch wissenswert ist
Die Ausrichter haben zahlreiche Sponsoren gewinnen können, welche die WM finanziell unterstützen. Um Chancengleichheit zu gewährleisten, übernehmen die Sponsoren in diesem Jahr zum Beispiel große Teile der Unterbringung, sodass alle in qualitativ gleichwertigen Unterkünften wohnen können. So können auch aus kleinen Orientierungslaufnationen LäuferInnen teilnehmen. Insgesamt sind 167 Herren und 138 Damen gemeldet.