24. August 2021
“What a great day for Germany”
Das rief der Arenasprecher bei der Siegerehrung der Europameisterschaften der Jugend im Orientierungslauf (EYOC) als das Nachwuchsteam einen Titel, einen weiteren Podestplatz und einen Platz unter den ersten Zehn holte. Auch Tage nach diesen bewegenden Momenten fällt es schwer, diese in Worte zu kleiden oder diese gar zu erklären.
Der Versuch einer Annäherung.
Station 1 - der Ort des Geschehens: Vilnius, die über 600 Jahre alte Hauptstadt Litauens, besitzt eine pittoreske Altstadt, eine der größten Europas. Die alte Universität wird gerade restauriert. Daher gibt es nur einen schmalen Durchgang, den man im Vorfeld identifizieren und so schon etwas über die Bahnlegung mutmaßen konnte. Die Tische der Straßencafés, mitten auf den schmalen Gassen, dürfen im Wettkampf übrigens beidseitig umlaufen werden.
Wesentlich ausführlicher, hat das deutsche Team die Innenstadt von Vilnius in der Vorbereitung auf die EYOC mit Karten, Darstellungen, Beschreibungen und der Unterstützung eines fünfköpfigen Betreuerteams kennengelernt.
Station 2 - die Zielarena: Ein buntes Gewusel von Läufern, Trainer*innen, die scheinbar nur nebenher den Kampf um die Medaillen verfolgen. Nur das deutsche Team steht fast geschlossen vor der Großbildleinwand und beobachtet wie gebannt das Geschehen. Mittendrin sitzt jemand, hoffend und bangend, das Gesicht von der Leinwand abgewandt und doch vom Team über alles informiert.
Station 3 - die Vorstartquarantäne: Die ersten Läufer sind längst gestartet, die Favoriten der letzten Startgruppe sind gerade erst eingetroffen. Da macht sich schon jemand aus dem Mittelfeld warm – er kann nicht ganz so schnell laufen wie die Schnellsten der letzten Favoritengruppe, er kann auch nicht besser orientieren als sie, und doch wird er sie heute alle schlagen, weil ihm das Kunststück gelingt, für einen Zeitraum von einigen Minuten, die optimale Abstimmung von Laufgeschwindigkeit, Orientierungsfähigkeit, Konzentration und Aktivierung zu finden.
Station 4 - im Kopf des Siegers: „Noch eine Stunde bis zum Start, meine Startroutine beginnt. Ich habe zu Hause in Preetz viele Sprint- und Kartenlesetrainings gemacht. Ich weiß was im Wettkampf an Aufgaben auf mich zukommen wird. Ich bin läuferisch fit, auch wenn ich nicht mit den besten mithalten kann. Ich muss keine Erfolge holen wie Läufer anderer Nationen. Ich kann mich auf meine Leistung konzentrieren. Ich werde einen guten Lauf machen. Falls doch etwas schief geht, wird das Team trotzdem hinter mir stehen. Der Start – ich bin voll da, mein Körper ist warm und läuft gut. Ich bin im Rennen, meine Abläufe stimmen, ich nehme etwas Fahrt heraus, um die technisch schwierige Passage zu meistern. Es geht in das Universitätsgelände. Dort ist der Durchgang, genau wie wir es vorbereitet haben – super. Es läuft, nun zur Arenapassage, da steht der Trainer: ‚Du liegst super‘ – ja! Noch einmal alles reinhauen im Schlussteil. Dort ist das Ziel, der Sprecher sagt ich liege vorne … wie lange wird das wohl reichen?“
Nun, wir wissen, dass es bis zum Schluss gereicht hat.
Ein Athlet hat sich aufgemacht, um sich bei der EYOC zu messen. Er setzte sich gegen die besten 100 Athleten aus 30 europäischen Nationen durch. Er ist weder das neue Supertalent noch ein unglaublicher Glückspilz, sondern jemand der mit Training, Fleiß und der Unterstützung von Familie, Trainern, Mannschaft und Umfeld sein Potential entfaltet hat. Und auch das hat dieser denkwürdige Sonntag bewiesen – er ist nicht allein, sondern da sind noch andere Nachwuchskader, denen auch ein zehnter Platz nicht genug ist.