15. Januar 2020
Elitetipp Januar: OL-Jahresplanung
Zum Jahreswechsel häufen sich Rückblicke und Vorausschauen im Fernsehprogramm und in den Zeitungen und auch in Familie und Freundeskreis lässt man während der Feiertage das vergangene Jahr gerne Revue passieren und schmiedet Pläne für das kommende Jahr ... Spätestens jetzt ist es auch für den (ambitionierten) Orientierungsläufer an der Zeit, die neue Saison zu planen. Meist flattern im Dezember auch schon die ersten Ausschreibungen von Mehrtageläufen ins Haus und nach ausreichender Pause am Saisonende verspürt man auch durchaus wieder Lust auf OL und das dazugehörige Training (manch einer verspürt nach Zuviel Weihnachtsessen auch gar die 'schiere Notwendigkeit' ...) Also wie die Motivation gleich in die richtigen Bahnen lenken? Mit einer effektiven OL-Jahresplanung!
Als Planungsgrundlage für die kommende Saison dient uns natürlich der Wettkampfkalender. Auf Länderebene, national sowie international gibt es eine mehr oder weniger große Zahl an OL-Veranstaltungen [alle in der Rubrik 'Termine' auf dieser Website oder im O-Manager eingetragen], aus denen man seinen 'persönlichen Wettkampfkalender' zusammenstellen kann. Als Rahmenbedingungen sollten natürlich die jeweiligen Ferien- aber auch 'Pflicht'-Termine (Prüfungszeiträume, Phasen verstärkter schulischer bzw. beruflicher Belastung - soweit vorhersehbar, aber auch 'Familienfeste' - sofern unvermeidbar) mit einfließen. Findet die Trainingsplanung im luftleeren Raum statt, wird sie schneller von der Wirklichkeit widerlegt, als es dem Leistungsfortschritt dienlich ist. Und die Nichterfüllung der eigenen Planung wirkt sich meist negativ auf die gesamte Trainingsmotivation aus. Also unbedingt eine realistische Planung verfolgen! Ausgangspunkt der Planung muss natürlich unser derzeitiger, d.h. der in der vergangenen Saison erreichte Leistungsstand sein. Hier ist es sehr vorteilhaft, wenn man auf sein Trainingstagebuch und persönliche Wettkampfauswertung der Saison 2019 zurückgreifen kann. Wer bisher nicht sein Training in Form eines Trainingstagebuchs dokumentiert hat und auch noch nicht regelmäßig seine Wettkämpfe analysiert, sollte jetzt für 2020 damit unbedingt beginnen, es ist zum eigenen Nutzen. Auch das Wissen um seine Konditionsbasis über entsprechende Testläufe ist zur Diagnose des (konditionellen) IST-Zustands sehr hilfreich und empfehlenswert. Darauf aufbauend lässt sich dann der anzustrebende SOLL-Zustand beschreiben. Hierbei geht es also letztendlich um die Bestimmung der zu erreichenden persönlichen Ziele. Diese Ziele sind dabei durchaus unterschiedlich und vielschichtig; sie reichen von Wunschzielen ('Deutscher Meister werden', 'Podiumsplatz bei der WM') zu prinzipiellen Zielvorgaben für das eigene Training im kleinen ('jede Trainingseinheit mit Gymnastik vor- bzw. nachbereiten') wie im großen ('den Gesamttrainingsumfang des Jahres um 20% steigern'), im konditionellen ('mehr Querlauftraining') wie im o-technischen Bereich ('konsequent den Kompass einsetzen'). Es empfiehlt sich, diese Ziele gemeinsam mit dem Trainer oder den Trainingspartnern zu besprechen. Meist kommen so mehr und auch tiefer gründende Einsichten zustande als wenn man sich nur alleine damit auseinandersetzt und wenn die gesamte Trainingsgruppe ähnliche Ziele verfolgt wie man selbst, kann dies zusätzliche Motivation freisetzen und die konkrete Umsetzung fällt gemeinsam zumeist leichter. Sind also die wesentlichsten Defizite erkannt und benannt (am besten gleich schriftlich festhalten), sollten entsprechende Trainingsschwerpunkte festgelegt werden. Dabei sollte man jedoch nicht versuchen, alle erkannten Defizite auf ein Mal zu beseitigen, das wird kaum gelingen. Also Konzentration auf das Wesentliche: Geht man die 'großen Brocken' (größten Zeitverlustverursacher = typische Fehlerquellen bzw. spezielle Konditionsmängel) konsequent an, werden auch die Leistungsfortschritte entsprechend groß ausfallen!
Unter Berücksichtigung der oben genannten Punkte kann jetzt die Erstellung des konkreten Trainings- und Wettkampfplans für die kommende Saison beginnen. Praktisch gesprochen bedeutet dies, dass man sich einen Terminkalender nimmt oder auf Karopapier bzw. Computerfreunde auch in Form einer Excel-Tabelle einen Rahmenplan anlegt mit einer Woche pro Zeile als Jahresübersicht. Dort trägt man dann die relevanten Wettkampftermine ein, das verschafft einen guten Überblick über deren zeitliche Aufeinanderfolge. Natürlich muss hier bereits eine Auswahl und Gewichtung erfolgen und die erwähnten nicht-sportlichen Termine und Verpflichtungen sollten Berücksichtigung finden (Klassenfahrten, Dienstreisen etc.). Zusätzlich zu den OL-Wettkämpfen werden gegebenenfalls Kaderlehrgänge und bereits terminierte Trainingsläufe des Vereins oder umliegender Clubs eingetragen. Andere sportliche Aktivitäten (Skiurlaub - Langlauf vorzugsweise!) oder auch Wettkämpfe in verwandten Sportarten (Skilanglauf, Cross- oder sonstige Volksläufe) kommen ebenfalls in Frage. Spätestens jetzt (meist erfolgt das schon vorher durch die Formulierung der Ziele implizit) legt man die Hauptwettkämpfe fest, bei denen man gut abschneiden möchte, sowie die Wettkampfhöhepunkte, bei denen Topform (und eine TopPlatzierung!) erreicht werden soll und markiert diese in seinem Plan entsprechend. Für die meisten werden dies die großen Bundesveranstaltungen sein mit der DM Mitteldistanz und der DM Langdistanz als Höhepunkte jeweils am Ende der nationalen Frühjahrs- bzw. Herbstsaison. Aufgrund der nationalen Wettkampfpause während der Sommermonate ergibt sich so für die meisten deutschen OLer automatisch eine Zweiteilung der Saison. Um das eigentliche Training um die (Haupt)Wettkämpfe herum zu planen, muss man einige Grundsätze der Trainingslehre befolgen: Wesentlich sind dabei die 'Periodisierung' und die Beachtung einiger grundlegender 'Trainingsprinzipien'. So ist für eine stabile und hohe Ausprägung der Form ein kontinuierlicher Leistungsaufbau unabdingbar. Gleichzeitig kann die Trainingsbelastung nicht permanent gesteigert werden, sie muss periodisiert werden: Nach Trainingswochen mit steigender Belastung, muss es auch Wochen zur (aktiven) Erholung geben. Im Allgemeinen sind nach 3 Wochen mit ansteigender Belastung 1 Woche mit niedrigerer Belastung zur Regeneration zu planen. Für Trainingsjüngere (aber durchaus auch in hochintensiven Trainingsphasen von Trainingsälteren) kann auch ein Verhältnis von 2 Wochen Belastung zu 1 Woche Regeneration angeraten sein. Insgesamt braucht es etwa 6 bis 8 Wochen stufenartig ansteigender Belastung (mit zwischenzeitlichen 'kleinen Rückschritt') bis ein stabiler Trainingseffekt erzielt und eine höhere Leistungsstufe erreicht wird, auf dem der nächste Trainingsabschnitt aufbauen kann. Im Jahresverlauf vollzieht sich das Training also in so genannten 'Perioden' beginnend mit der Vorbereitungsperiode (VP), die dem kontinuierlichen Leistungsaufbau dient, der Wettkampfperiode (WP), zur Stabilisierung, Formausprägung und Realisierung der Leistung im Wettkampf, sowie der Übergangsperiode (ÜP) im Anschluss an die Wettkampfperiode als Übergang zur nächsten Vorbereitungsperiode beispielsweise für die Herbstsaison. Die Vorbereitungsperiode wird meist noch unterteilt in eine mehr allgemeine konditionelle Vorbereitung (VP I), wo auch andere konditionsbetonte Sportarten betrieben werden, und das spezifischere Lauf- und OL-Training der VP II. Die Steigerung der Trainingsbelastung erfolgt dabei zuerst über den Umfang und die Häufigkeit und erst danach über die Intensität und größere Spezifität. So wird gewährleistet, dass über einen längeren Zeitraum ein stabilerer und größerer Leistungszuwachs erfolgt, als durch kurzfristiges und zu intensives Training. Einzelne umfangreiche oder sehr intensive Trainingseinheiten mit zu großen Pausen vor der nächsten Trainingsbelastung bringen also eher wenig. Die Kunst der Trainingsplanung besteht jetzt darin, die notwendigen Trainingsinhalte der verschiedenen Perioden mit dem jeweiligen Wettkampfangebot in Einklang zu bringen. Folglich wird etwa von Januar bis März das umfangbetonte Grundlagentraining im Vordergrund stehen und etwaige Wettkämpfe als Trainingswettkämpfe bzw. intensive Trainingseinheit in das Training eingebaut. Mit Blick auf die ersten großen OL-Wettkämpfe (3-Tage-OL Zittau mit DM Sprint) muss dabei durchaus schon recht zeitig die spezifischen OL-Inhalte ins Training einfließen, gleichzeitig wird zwangsläufig die Form zu diesem Zeitpunkt noch deutlich hinter der angestrebten Topform des Sommers zurück stehen (müssen). Die weiteren Wettkämpfe im April und Mai werden dann der Formausprägung dienen und in diesem Sinne zumeist Aufbauwettkämpfe sein. Während Trainingswettkämpfe als intensives Training in eine normale Trainingswoche eingebaut werden, sind Aufbauwettkämpfe schon wichtig zu nehmen und das Wochentraining so darauf abzustimmen, dass man einigermaßen 'frisch' in den Wettkampf geht. Dennoch sollten sich auch die Aufbauwettkämpfe dem Gesamttrainingsziel (Wettkampfhöhepunkt) unterordnen und durch eine zu häufige Wettkampfteilnahme weder das Gesamttraining leiden noch eine Topform (und anschließende Erschöpfung!) vor dem eigentlichen Wettkampfhöhepunkt erreicht werden. Stabilisierendes und kompensatorisches Grundlagentraining ist hier weiterhin wichtig. Trainingswochen mit Aufbauwettkämpfen eignen sich unter anderem auch gut dazu, mit verschiedenen Varianten der Wettkampfvorbereitung (sprich: der Belastungsverteilung in den letzten Tagen vor einem Wettkampf) zu experimentieren und die für einen persönlich optimale Vorbereitung für die anstehenden Hauptwettkämpfe herauszufinden. Die Erkenntnisse aus diesen 'Experimenten' fließen dann - durch das Trainingstagebuch gut dokumentiert - unmittelbar zurück in den Trainingsprozess und in die weitere Planung. Generell gilt dabei für die gesamte Trainingsplanung, dass diese - gut durchdacht - zwar die Grundlage für den Erfolg darstellt, allerdings ist sie letztlich nur der Rahmen, der durch fortlaufende kleinere (bei unvorhergesehenen Ereignissen bisweilen auch größeren) Anpassungen optimal ausgestaltet werden muss. Fröhliches Tüfteln am Trainingsplan und ein gutes OL-Jahr 2020!
Empfehlenswerte Literatur: Dresel, Fach, Seiler: Orientierungslauf. Training. Habegger Verlag, Derendingen 1989 ISBN 3-85723-279-X (derzeit nur noch in den deutschen OL-Shops verfügbar) Autor: Markus Prolingheuer Der Elitetipp erscheint monatlich auf orientierungslauf.de. In ihm werden verschiedene Leute über spezielle Themen im OL berichten, mit denen sie sich auskennen. Der Elitetipp soll dazu anregen, selbst darüber nachzudenken, was man alles besser machen könnte im OL. Hast Du Lust, auch über ein Thema zu schreiben, wo Du Dich auskennst? Oder willst du ein Thema vorschlagen, das mal behandelt werden sollte? Fragen, Anregungen, Kritik? Mail an ingo.horst@web.de!