10. Oktober 2023
EOC KO-Sprint
Als letztes Wettkampfformat der Europameisterschaften stand am Sonntag der KnockOut-Sprint auf dem Programm. Über die Qualifikation kam niemand der Deutschen hinaus. Es gewannen die Schwedin Tove Alexandersson und der Schweizer Matthias Kyburz.
Er wisse nicht, was er hätte besser machen können, war die erste Reaktion von Colin Kolbe nachdem klar war, dass er das Viertelfinale verfehlt hatte. In einer tiefergehenden Analyse einige Zeit später fand er doch noch einige Sekunden, die wohl neben dem reinen Lauftempo für den Finaleinzug hätten reichen können. Noch mehr als am Mittwoch galt heute: Es war absurd eng. Ähnlich ratlos dürften auch die anderen deutschen Herren direkt im Ziel gewesen sein. Alle verpassten sie den Einzug unter die besten 36 um wenige Sekunden und viele Plätze. Es qualifizierten sich die ersten 12 jedes Heats, was am Ende einen Rückstand von 14, 16 bzw. 25 Sekunden auf den Heatsieger maximal bedeutete. Also: einmal hinter den falschen Baum geguckt und raus ist man. Colin kam auf Platz 24 (+0:16 auf Platz 12). Anselm Reichenbach lag im gleichen Heat etwas vor ihm, Platz 19 (+0:13). In den anderen Heats nicht anders: Jannis Schönleber wurde 23. (+0:13), Erik Döhler 28. (+0:22), Bojan Blumenstein 30. (+0:26) und Felix Späth 34. (+0:34, Zeiten jeweils gegenüber der Zeit, die fürs Viertelfinale gereicht hätte).
Etwas großzügiger waren die Qualifikationszeiten der Damen. Zwischen 32 und 41 Sekunden Rückstand reichten hier für den Viertelfinaleinzug. Am knappsten verpasste diesen Leonore Winkler, als 24. fehlten ihr nur 18 Sekunden. Nicht viel mehr war es bei Patricia Nieke: Platz 28, dreiundzwanzig Sekunden weniger hätten auf der Uhr sein dürfen. Birte Friedrichs verpasste als 29. die Qualizeit in ihrem Heat um 34 Sekunden. Paula Starke wurde im gleichen Lauf 35. (+1:00), war sich aber auch im Ziel schon mehrerer Fehler bewusst.
Bei einer so engen Qualifikation erwischt es natürlich auch einige TopläuferInnen. Vorallem bei den Herren können sich die Deutschen in guter Gesellschaft wissen. Neben den drei Schweizern Daniel Hubmann, Martin Hubmann und Florian Howald – in seinem Abschiedsrennen – erwischte es auch die Norweger Mats und Havard Eidsmo, die Tschechen Vojtech Kral und Jonas Hubacek oder den finnischen Bronzemedaillengewinner aus der Sprintstaffel Teemu Oksanen. Die größte Überraschung bei den Damen dürften wohl das Ausscheiden von Marie Olaussen (NOR) und Lina Strand (SWE) sein.
Es bleibt also viel zu tun für das deutsche Team bis zur Sprint-WM in Edinbourgh im nächsten Jahr. Dort soll es dann klappen mit den Qualifikationen in Sprint und KO-Sprint. Dort wird die Qualifikation etwas einfacher, denn die Starterfelder sind etwas kleiner. Vorallem die Topnationen haben weniger Startplätze. Nichtsdestotrotz soll der Rückstand auf jene natürlich verringert werden. Für jede einzelne Sekunde bedarf es Unmengen an Arbeit. Die deutschen Vereine können dem Team helfen, indem sie viele, hochwertige Sprintrennen anbieten.
International
Es ist KnockOut-Sprint, das heißt schnelle, enge Rennen, enge Entscheidungen und bisweilen auch Drama. Für das wohl größte Drama am heutigen Tag sorgten Kasper Fosser und Joey Hadorn. Beide waren als Mitfavoriten ins Rennen gegangen, beide hatten sich souverän fürs Viertelfinale qualifiziert. Das Viertelfinale bot eine Runner’s Choice im ersten Teil, doch auch auf der zweiten Hälfte nahmen viele LäuferInnen unterschiedliche Routenwahlen. Dies wurde jenen beiden zum Verhängnis, denn in den engen Gassen an Posten fünf trat Fosser im Ablaufen an, während Hadorn noch auf dem Weg zum Posten war. Beide stießen mit den Köpfen zusammen und konnten nicht weiterlaufen. Sie wurden ins Krankenhaus gebracht, doch schon nach den Halbfinals konnte Fosser im Interview in der Arena Entwarnung geben – auch wenn er durch einen Bluterguss sichtlich gezeichnet war. Und nicht nur auf das Rennen selbst hatte es Auswirkungen, auch der Gesamtweltcup wurde dadurch maßgeblich beeinflusst. Matthias Kyburz nämlich musste durch den Ausfall Fossers lediglich Platz fünf erreichen, um den Norweger noch abfangen zu können und sich den Gesamtsieg zu sichern. Er war sowieso als Topfavorit ins Rennen gestartet.
Nicht so ein Drama, wohl aber eine große Überraschung gab es auch bei den Damen, denn dort schaffte die Waliserin Megan Carter Davies überraschend den Einzug ins Halbfinale nicht.
Zur Einordnung der Geschwindigkeiten, die im KO-Sprint gelaufen werden: Tuomas Heikkila (FIN) lief im Viertelfinale einen durchschnittlichen Pace von 2:50 Minuten pro Kilometer. Schnellste Dame war Tove Alexandersson ebenfalls im Viertelfinale, bei 3:15 Minuten pro Kilometer lag ihr Kilometerschnitt.
Es ging auf die Entscheidung zu, Halbfinale. Zunächst waren die Damen an der Reihe. Das erste Halbfinale hörte sich nominell am ausgeglichensten an. Drei Schweizerinnen, dazu Eef van Dongen und Tereza Janosikova, sowie die Spanierin Ana Toledo Navarro. Es wurde zu einem Ausscheidungsrennen, in dem zuerst die Spanierin und die Tschechin dem hohen Tempo Tribut zollen mussten. Nur die Niederländerin van Dongen konnte mit den drei Schweizerinnen mithalten. Kurz vor Schluss lag sie sogar in Führung, doch sie entpuppte sich als schlechte Treppenläuferin. Bergab musste sie alle drei Schweizerinnen vorbeilassen, und auch wenn sie Aebersold im Sprint noch schlug, weiter kamen Natalia Gemperle und Elena Roos.
Das zweite Halbfinale war vom Start weg eine klare Sache. Tove Alexandersson lief, wie sie immer läuft, also vorne weg. Teamkollegin Hanna Lundberg blieb mehr oder weniger an ihr dran, dahinter klaffte schnell eine große Lücke. Einzig die junge, erst 18-jährige Ungarin Rita Maramarosi konnte in Sichtweite bleiben. Während die beiden Schwedinnen vorne schon austrudeln lassen konnten, lief sie zu Platz drei und einer Zeit, mit der sie die anderen Halbfinale wohl gewonnen hätte.
Auch das dritte Halbfinale hatte mit der Schwedin Sara Hagström eine klare Favoritin. Sie wirkte jedoch ungewohnt unsicher und hektisch und ließ die Souveränität vermissen, mit der sie am Mittwoch den Sprint gewonnen hatte. Mehrmals nahm sie falsche Routen, verpasste Posten um wenige Meter, zögerte in Entscheidungen. So siegte die Norwegerin Victoria Haestad Bjornstad in diesem Halbfinale. Und trotz allem kam auch Hagström durch.
Enger noch als bei den Damen waren die Herrenrennen. Hauptgrund ist wohl, dass das physische Level der einzelnen Athleten noch ähnlicher ist. Umso wichtiger und entscheidender sind die Routenwahlen und die taktische Positionierung im Feld. Das zeigte sich auch gleich im ersten Halbfinale. Tuomas Heikkila (FIN) verrichtete viel Führungsarbeit. Die letzte, entscheidende Routenwahl jedoch wählte er gemeinsam mit dem Schweden Regborn falsch – keine Chance für die beiden. Ralph Street (GBR) und Riccardo Rancan (SUI) setzten sich durch. Taktisch zeigte auch Matthieu Perrin (FRA) eine gute Leistung. Er hielt sich im Hintergrund und beobachtete, nahm so immer die richtige Route. An den Schweizer vor ihm kam er im Zielsprint aber nichtmehr heran.
Im zweiten Halbfinale standen die zwei Hauptfavoriten: Matthias Kyburz und Jonatan Gustafsson. Kyburz bestimmte das Rennen von vorn, sein Schatten Gustafsson direkt dahinter. Gemeinsam waren sie so schnell, dass auch Jannis Bonek sich vergeblich mühte, die besseren Routen nahm und im Zielsprint nur knapp geschlagen wurde.
In Halbfinale drei bestimmte der Norweger Cornelius Bjork die erste Rennhälfte. Wie so oft aber schafft es bei den Herren derjenige, der früh den Ton angibt nicht durch. Er verpasste eine Gasse, in dem Moment als das Tempo explodierte, sodass er aus der Entscheidung herausfiel. Die beiden Schweden Isaac von Krusenstierna und Emil Svensk setzten sich souverän durch.
Topfavoritin Tove Alexandersson startete im Finale verhalten. Wie gewohnt konnte man sie zu Anfang in hinterster Position ihre Karte studieren sehen. Dann drehte sie auf. Ein ungünstig als Rein-Raus-Posten platzierter Posten zwei hielt das Feld zwar noch zusammen, die dadurch wohl am meisten behinderte Alexandersson drehte danach aber auf und schon am nächsten Posten hatte sie zehn Meter Vorsprung. Diesen Vorsprung gab sie auch nicht mehr her. Alexandersson nahm zwar noch eine ungünstigere Route zu Posten 7, doch Tempo und Vorsprung waren so groß, dass sie schon frühzeitig zu jubeln anfangen konnte.
In ihrem Abschiedsrennen lief Elena Roos (SUI) ein beherztes Rennen. Sie führte die Verfolgertram über große Teile des Rennens an. Zwar schaffte sie es nicht, die Lücke zur Schwedin entscheidend zu schließen, hielt aber das Tempo so hoch, dass ihre Konkurrentinnen sie nicht attackieren konnten. EM-Silber – einen schöneren Abschied hätte es kaum geben können. Bronze ging mit Natalia Gemperle an eine zweite Schweizerin im Finale. Aktivste Läuferin war wohl Sara Hagström. Die Sprintsiegerin von Mittwoch versuchte viel, war aber letztlich auch oft allein auf ihren Routen unterwegs und konnte in die Entscheidung nicht eingreifen.
Im Herrenrennen zeigte Matthias Kyburz ein weiteres Mal eine taktische Meisterleistung. Er führte, er wählte die Routen, er trat im entscheidenden Moment mit einem Tempo an, das niemand attackieren konnte. Verdienter kann eine Goldmedaille in so einem läuferisch ausgeglichenen Feld nicht sein. Und der Sieg ist eindeutig besser als Platz 5, er gewann also auch den Gesamtweltcup. Jonatan Gustafsson und Emil Svensk hingen an Kyburz dran und sprinteten letztlich um Platz zwei. Fotofinish, Gustafsson setzte sich hauchdünn vor seinem Teamkollegen durch. Auf Platz vier folgte Ralph Street. Zwischendurch hatte er versucht durch eigene Routen einen Vorteil zu erarbeiten. Er nahm zu Posten 7 die kürzere Route, hatte aber den Nachteil, dass die Tram um Kyburz einerseits in der Gruppe unterwegs war, andererseits eine günstigere Ablaufrichtung vom Posten hatte. Auch Riccardo Rancan und Isaac von Krusenstierna versuchen ihre Position durch eigene Routen zu verbessern. Auch sie wurden bestraft: Die Gruppe war stärker, auch wenn von Krusenstierna zu Posten 7 sicherlich keine schlechtere Route lief.
Als finaler Saisonabschluss steht in der nächsten Woche das Euromeeting im schottischen Stirling an. Es läutet die Vorbereitung auf die WM im nächsten Jahr endgültig ein.

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