15. Mai 2021
Elitetipp im Mai: Zecken – was jeder wissen sollte
Das Frühjahr zeigt sich endlich mit den ersten wärmeren Sonnentagen. OL im Frühjahr macht besonders viel Spaß. Durch den ausschlagenden und blühenden Wald zu laufen, die Frühlingsluft einzuatmen. Doch schon nach den ersten Läufen im Gelände sind sie wieder da, krabbeln auf Laufanzug oder der Haut herum. Wenn man nicht nach dem Lauf jeden Quadratzentimeter haarklein absucht sitzen sie schon nach wenigen Stunden blutsaugend in der Haut. Die Rede ist von Zecken, den kleinen, lästigen Biestern.
Was man im Umgang mit ihnen beachten muss und welche Risiken es gibt, verrät der Elitetipp im Mai 2003.
18 Jahre ist es her und das Thema immer noch aktuell. Deshalb wird es wieder aufgegriffen und mit aktuellen Informationen ergänzt.
Zecken sind als Gliederfüßler mit den Spinnen verwandt und haben ebenso wie diese acht Beine. In Deutschland gibt es neben der häufigsten Art, dem Gemeinen Holzbock (lat. Ixodes) (Bild) auch Taigazecken und Auwaldzecken, sowie 5 seltenere Arten, die primär nicht den Mensch als Wirt haben. In ihrem Wachstumszyklus durchlaufen sie 2 Larvenstadien vor dem erwachsenen Stadium. Sowohl Larven, oft nur 0,3-1 Millimeter groß, als auch die erwachsenen Tiere (2-4 mm) saugen Blut, indem sie sich in der Haut fest saugen. Dabei beißen sie nicht, sondern stechen langsam zu. Meist dienen kleine Nager oder Wild als Wirte, der Mensch, der sich im Wald bewegt kann dann auch betroffen sein. Zecken warten v.a. im grasigen und buschigen Gelände (auch Gärten!) darauf, dass ihre Opfer vorbei streichen, um sich dann an ihnen fest zu halten. Hier suchen sie nach geschützten Stellen mit weicher Haut, vor allem Gelenkbeugeseiten und Genitalbereich, bei Kindern auch an der Kopfhaut und beginnen nach 1-2 Stunden ihre Mundwerkzeuge in die Haut zu bohren. Nach etwa 6 Stunden beginnen sie mit der Blutmahlzeit, die mehrere Tage dauern kann und nach der sich die Tiere wieder fallen lassen. Oft bemerkt man den Stich erst nach 12-24 Stunden durch einen leichten Juckreiz.
Je nach Verbreitungsgebiet sind Zecken Überträger von Krankheiten. Dazu zählt in unseren Breiten vor allem die Borreliose und die Frühsommer-Meningoenzephalitis FSME (Hirnhautentzündung). Insbesondere bei Orientierungsläufen im Ausland sollte man sich bewusst sein, dass hier auch andere Zeckenarten vorkommen, die in Deutschland unbekannte Krankheiten übertragen können.
Infektionsgefahr besteht dann, wenn die Zecke Zeit gehabt hat sich durch die Haut zu bohren und mit der Blutmahlzeit zu beginnen. Dies ist nach etwa 6 Stunden der Fall. Deshalb ist es besonders wichtig vorher sich gründlich abzusuchen und auf der Haut krabbelnde und sitzende Zecken zu entfernen. Fest sitzende Zecken sollten mit einer Zeckenzange oder feinen Pinzette möglichst schnell entfernt werden. Das Quetschen der Zecke sollte dabei vermieden werden. Das Betupfen mit Öl oder Klebstoff ist nicht wirksam. Bleiben Kopf oder Mundwerkzeuge der Zecke in der Haut ist dies nicht schädlich, da sich die Krankheitserreger im Verdauungstrakt im Körper der Zecke befinden. Der Zeckenstich mit kleiner juckender Rötung ähnlich eines Mückenstichs heilt in der Regel nach etwa einer Woche ab. Bei längerer Rötung oder Infektion des Stiches sollte ein Arzt aufgesucht werden.
Lyme-Borreliose
Borrelia burgdorferi der Erreger der Lyme-Borreliose ist ein Bakterium.
Die Mehrzahl der Patienten werden von Ende Mai bis Ende Juli von Ixodes-Larfen infiziert. Weitaus seltener erfolgt die Infektion im Herbst oder sogar an warmen Wintertagen, wenn adulte Zecken ihre Blutmahlzeit nehmen.
Je nach Region sind bis zu 30%, in wenigen Endemiegebieten, mehr als 50% der Zecken mit Borrelia burgdorferi infiziert.
Nicht jeder Zeckenstich führt zur Infektion und nicht jede Infektion führt zur Erkrankung. Die meisten Infektionen werden lokal am Ort des Zeckenstiches unbemerkt abgewehrt. Diese Frühstadien der Erkrankung können spontan ausheilen, aber auch in eine chronische Infektion münden. Die chronische Erkrankung verläuft in 3 Stadien.
Stadium I, Stadium der lokalisierten chronischen Infektion
Nach erfolgter Infektion bildet sich in etwa nur 20 % der Fälle nach einigen Tagen bis wenigen Wochen eine von der Einstichstelle ausgehende und sich auf die Umgebung konzentrisch ausdehnende Hautrötung mit zentraler Abblassung aus: das Erythema migrans als typisches Kardinalsymptom dieses Stadiums und Blickdiagnose einer Borrelieninfektion! Das betroffene Hautareal kann schmerzhaft oder überempfindlich erscheinen. Die Hauterscheinung bildet sich meist spontan zurück oder kann über Wochen persistieren (Erythema chronicum migrans). Oft wurde ein Zeckenstich gar nicht bemerkt, das heißt er ist dann bei ärztlicher Befragung nicht erinnerbar!
Ein allgemeines Krankheitsgefühl mit Abgeschlagenheit, leicht erhöhter Körpertemperatur und regionalen Lymphknotenschwellungen kann bereits in diesem Stadium vorliegen.
Stadium II, Stadium der im Körper ausbreitenden Infektion
Dem Stadium II geht eine Ausbreitung der Bakterien über das Blut oder auch über das Lymphsystem voraus, mit folgender Besiedelung vornehmlich der Haut, des zentralen und peripheren Nervensystems, des Herzens sowie des Bewegungsapparates (z.B. Gelenkergüsse).
Stadium III, Stadium der chronischen Infektion
Das chronische Krankheitsbild tritt Monate bis Jahre nach der Infektion in Erscheinung und ist vor allem durch die für die Krankheit typische Hautveränderungen gekennzeichnet, durch rheumatologische Beschwerden in Form von Gelenkentzündungen unterschiedlicher Lokalisation, Abgeschlagenheit und Herzrhythmusstörungen gekennzeichnet.
Therapie in allen Stadien
Kompetente, ärztliche Behandlung, Antibiose (Doxycyclin oder Amoxicillin hoch dosiert über 3-4 Wochen), bei Stadium 2 und 3 evtl. weiterführende Immunregulierende Therapien. An einem Impfstoff gegen den Europäischen Erreger wird seit den 1980er Jahren noch ohne Erfolg geforscht.
Frühsommer-Meningoenzephalitis oder FSME
Für Zecken, die eine Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME, engl. TBE – tick-bourne encephalitis) übertragen können, sind sogenannte Verbreitungsgebiete bekannt. Diese liegen vor allem in Mittel-, Süd- und Ostdeutschland. Eine aktuelle Karte gibt es beim Robert-Koch-Institut hier.
In Gebieten, die nicht markiert sind können dennoch Infektionen auftreten, wenngleich sehr selten.
Die Frühsommer-Hirnhautentzündung ist eine Virus-Erkrankung, die häufig ohne spezifische Symptome nicht bemerkt wird. Sie kann in zwei Phasen verlaufen:
1. Phase
2-28 Tage nach dem Zeckenstich kommt es bei etwa 30% der Infizierten als Folge der Virus-Vermehrung zu einer grippeartigen Erkrankung. Diese ist uncharakteristisch und von Fieber, Kopf-, Rücken- und Gliederschmerzen begleitet. Die erste Phase dauert meist 1-8 Tage. Von diesen symptomatischen Patienten treten etwa 70% in die 2. Phase.
2. Phase
nach 1-20 Tagen Fieberpause treten plötzlich heftige Kopf- und Nackenschmerzen, Fieber bis 40°C und Nackensteifigkeit auf. In schweren Fällen kommt es zu Lähmungen der Augen-. Gesichts- und Harnblasenmuskulatur, sowie der Extremitäten. Je älter der Erkrankte ist, desto schwerer verläuft in der Regel die Erkrankung. Kinder und Jugendliche trifft es meist weniger schwer, jedoch wurden auch in diesen Altersgruppen schwere Verläufe beobachtet.
Zwei Drittel der Infizierten zeigen keine Zeichen der Erkrankung oder machen nur die erste Phase durch. Ein Drittel gelangt in die zweite Phase, bei 6 bis 18% der Erkrankten kommt es zu einem schweren Verlauf. Bis zu 2 % der schwer Erkrankten sterben.
Auch kann die FSME- Krankheit nicht ursächlich behandelt werden. Zwar können Symptome wie Fieber oder Schmerzen gelindert werden, die eigentliche Ursache aber, das FSME- Virus muss unser Körper alleine bekämpfen.
Eine Impfung gegen FSME wird allen empfohlen, die in einem FSME- gefährdeten Gebiet wohnen, dorthin reisen, sich in der Natur aufhalten und damit Zeckenstichen ausgesetzt sind. Wegen der starken Nebenwirkungen war man früher der Impfung gegenüber eher zurückhaltend, eine Impfung für Kinder gab es nicht. Auch ich schrieb im letzten Elitetipp 2003 zu diesem Thema noch, dass eine Impfung nicht notwendig sei.
Inzwischen gibt es jedoch zwei Impfstoffe in Deutschland, die auch für Kinder zugelassen sind und gut vertragen werden, Nebenwirkungen bei Erwachsennen treten unter 1% auf und bei Kindern zu 5-20%. Diese sind vor allen Kopf und Gliederschmerzen, sowie leichtes Fieber – also eine normale Immunreaktion.
Ein vollständiger Impfschutz besteht aus 3 Teilimpfungen. Die ersten beiden FSME-Impfungen erhält man im Abstand von etwa 4 Wochen. Nach 9-12 Monaten vervollständigt die dritte Impfung die Grundimmunisierung.
Auffrischungs-Impfungen durch eine einzelne Dosis sind für den Erhalt des Impfschutzes nach 3-5 Jahren notwendig. Eine Auffrischung nach längerer Zeit wird in der Regel ebenfalls nur mit einer Einzeldosis durchgeführt.
Dennoch gilt für die gesamte OL-Saison:
Am besten ist Vorbeugen durch Wissen von möglichen Risiken und deren Folgen.
Immer: Absuchen des gesamten Körpers nach dem Lauf: Zeckenkontrolle!
Autor: Dr. med Rolf Breckle
Der Elitetipp erscheint monatlich auf o-sport.de. In ihm werden verschiedene Leute über spezielle Themen im OL berichten, mit denen sie sich auskennen. Der Elitetipp soll dazu anregen, selbst darüber nachzudenken, was man alles besser machen könnte im OL.
Hast Du Lust, auch über ein Thema zu schreiben, wo Du Dich auskennst?
Oder willst du ein Thema vorschlagen, das mal behandelt werden sollte?
Fragen, Anregungen, Kritik? Mail an ingo.horst@web.de!