18. November 2011
Orientierungslauf – jetzt „Funk“tioniert’s!
Eine neue Zeitrechnung für den Orientierungslauf begann in den frühen 1990er Jahren, als elektronische Systeme in den Sport Einzug hielten. Dem großen Fortschritt durch die Entwicklung von Posten-Kontrollsystemen wie SPORTident und Emit folgten zahlreiche weitere Neuerungen – zum Beispiel Online-Ergebnisse und Live-Tracking von Läufern im Wettkampf, die in den letzten Jahren den Sport für Zuschauer immer attraktiver machten. Auch in einem deutschen Hobby-Keller wurde in diesem Jahr an einer Entwicklung für noch mehr Spannung im OL getüftelt: Ein Funksystem ermöglicht es dem Sprecher, zuverlässig in Echtzeit auf die Zeitstempel der Läufer in Zielnähe zuzugreifen.
Entwickelt hat das System einer der Innovationsträger und EDV-Betreuer im deutschen Orientierungslauf: Simon Harston ermöglichte den Zuschauern in diesem Jahr bei den Deutschen Staffelmeisterschaften, beim Arge-Alp-Cup und bei den Deutschen Meisterschaften über die Langdistanz ein schnelles und zuverlässiges Informationsangebot der Zwischenzeiten von den Funkposten. Die Idee zur Entwicklung eines eigenen Funksystems kam ihm im Frühjahr 2010, als er bei der Organisation der Deutschen Meisterschaften über die Sprintdistanz nur zwei Möglichkeiten zum Anschluss des letzten Postens an das EDV-System des Sprechers hatte: entweder musste er auf ein etwa 200 Meter langes serielles Kabel zurückgreifen, welches aber zur Vermeidung von Stolperfallen teilweise eingegraben werden musste. Oder die Alternative, ein Funksystem von SPORTident, welches auf der Datenübertragung im Handynetz basiert. Leider erwies sich das SPORTident-Funksystem damals aber aufgrund von Signallaufzeiten und gelegentlichem Datenverlust als nicht für die Nutzung im unmittelbaren Zielbereich geeignet. Simon entschied sich damals noch für das lange Kabel – aber für die DM-Langdistanz 2010 im Siegerland, zu der er wieder die EDV-Organisation übernommen hatte, stand das Ziel, eine eigene Funkstrecke zwischen den letzten Posten und dem Ziel zu entwickeln. Nach intensiver Recherche wurde aus einem Mix von Technik aus alten schnurlosen Telefonen sowie Akkus aus OL-Stirnlampen und ferngesteuerten Modellautos das erste funktionierende System entwickelt. Der Sprecher hatte an seinem Rechner an beiden Tagen Zugriff auf die Daten des letzten Postens – unter anderem Name, Kategorie, Laufzeit und aktuelle Platzierung der Läufer. Beim Deutschland-Cup wurden zusätzlich die Daten des Sichtpostens sowie des vorletzten Postens der letzten Staffelstrecke angeliefert.

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Tatsächlich konnte damals beim Deutschland-Cup der Sprecher eine große Spannung erzeugen, weil er z.B. vermelden konnte, dass Wieland Kundisch, der am Sichtposten noch 58 Sekunden hinter dem führenden Christian Teich zurücklag, beim vorletzten Posten nur noch 10 Sekunden dahinter war. Auch bei Platz 3 und 4 gab es Spannung pur, als die Zuschauer hörten, dass Sören Lösch und Andreas Lückmann am Sichtposten nur 14 Sekunden auseinanderlagen, am vorletzten Posten jedoch die Plätze getauscht hatten – und im Zieleinlauf holte Sören die läuferische Keule heraus und überholte Lücke wieder. Die erste Entwicklung hatte ihr Ziel gut erfüllt, bedurfte aufgrund des hohen Stromverbrauchs und der geringen Funkreichweite aber einiger Verbesserungen. Bei der Neuentwicklung erhielt Simon wertvolle Beratung vom Funk-OLer Matthias Kühlewein, außerdem gab es technische Unterstützung von der Firma SPORTident. Pünktlich zur DM-Staffel 2011 in Grünwald war dann ein komplett eigenes System aus selbst entwickelter Schaltung und professionell hergestellter Platine einsatzbereit. Der Sprecher war immer bestens im Bilde, wer gerade am Sichtposten bzw. am letzten Posten war und hatte in Echtzeit die Laufzeit der Läufer und Staffeln auf dem Bildschirm. Nach dem Wettkampfwochenende äußerten sich die Sprecher sehr beeindruckt von der Informationsfülle, die ihnen zur Verfügung stand. Zudem fragten noch vor Ort die Organisatoren der DM-Lang in Bad Harzburg sowie des Arge-Alp-Cups in Regensburg eine Nutzung des Systems an.
In Bad Harzburg schließlich dürften die meisten deutschen OLer zum ersten Mal wirklich das System „gesehen“ haben. Und das nicht nur, weil die Sprecher dank der Funkposten am Kartenwechsel der Elite, am vorletzten und letzten Posten sowie im Ziel viele spannende Informationen zum Verlauf des Wettkampfs geben konnten. Nein, es gab auch einzelne Läufer, die ganz offen zugegeben haben, dass sie am Sonntag den vorletzten Posten des Deutschland-Cups nur über „die Tupperdose an der langen Stange“ so schnell gefunden haben. Die erhöhte Anbringung der Funk-Elektronik war nötig, da gerade dichter (und vor allem nasser) Wald in Bodennähe ein sehr guter Dämpfer für Funkwellen darstellt. Ohne die so gewonnene Höhe war es nicht möglich „aus dem Dickicht herausfunken“. Simon hat auch aus den Erfahrungen der Einsätze im Jahr 2011 gelernt und entwickelt deshalb fleißig weiter: zwar werden im nächsten Jahr die „Tupperdosen“ dank eine Lackierung in Tarnfarben nicht mehr so gut zu sehen sein. Es besteht aber im Winter die Zielstellung, das System noch weiter zu verbessern und so eine Art Funk-Netzwerk aufzubauen. Dann soll es auch möglich sein, Signale weiter entfernter Posten von Station zu Station bis ins Ziel zu übertragen. Und nach dem erfolgreichen Einsatz beim Arge-Alp-Cup vor internationalem Publikum gab es sogar schon aus Österreich Interessenten zur Nutzung des Systems. Für Fragen zu seiner Funkposten-Technik steht Simon Harston gerne per E-Mail zur Verfügung unter Simon@Harston.de.