05. Februar 2016
Nikolaus Risch im Interview
Nach nunmehr 22 Jahren an der Spitze des Fördervereins Orientierungslauf ist Prof. Dr. Nikolaus Risch als Erster Vorsitzender zurückgetreten. Die nun freie Zeit nutzt der ehemalige Rektor und Präsident der Universität Paderborn aber nicht etwa um kürzer zu treten. Mit der Wahl zum Beauftragten für Umwelt- und Naturschutz im Technischen Komitee (TK) stehen fast nahtlos neue Herausforderungen an. In einem Interview werden die Gründe und Ziele genauer beleuchtet.
orientierungslauf.de: Hallo Nikolaus, nach vielen Jahren als Erster Vorsitzender des Fördervereins bist du zurückgetreten. Was waren die Gründe für diese Entscheidung? Nikolaus Risch: Vor 22 Jahren habe ich gemeinsam mit einer wunderbar engagierten Gemeinschaft den Förderverein OL e.V. gegründet und war seitdem der Erste Vorsitzende. Der Förderverein hat sich zu einem stabilen und nicht mehr wegzudenkenden Bestandteil unseres Sports entwickelt, dafür haben viele gekämpft und auch gespendet. Aber Wechsel und Veränderungen in Leitungspositionen sind notwendig, gerade in Strukturen, die ihren Weg gefunden haben. Ich bin froh, dass Lutz Spranger bereit ist, hier anzuknüpfen und mit seinem Team in einer guten Mischung aus „alten Hasen“ und engagierten Neuen die notwendige Weiterentwicklung zu gestalten. orientierungslauf.de: Was hat dich dazu bewogen den Posten des Beauftragten für Umwelt- und Naturschutz im TK in Betracht zu ziehen?
Nikolaus: Nicht nur das TK und die Bundesversammlung, sondern die meisten Orientierungssportlerinnen und -sportler wissen um die Notwendigkeit, dem Themenfeld Natur und Umwelt in unserem Sport mehr Sichtbarkeit zu geben - und das nicht erst seit heute. Es hat in der Vergangenheit bereits viele Anläufe gegeben, viel ehrenamtliche Arbeit ist eingebracht worden, ohne die unser Sport heute wahrscheinlich in erheblichen Schwierigkeiten stecken würde. Vielerorts gibt es ein ausgewogenes Miteinander aller Akteure im System Orientierungssport und Natur, andererseits aber auch immer mehr Restriktionen, unschöne Diskussionen und teilweise „verbrannte Erde“ wegen gar nicht oder in Teilen schlecht geführter Diskussionen und Genehmigungsverfahren (von welcher Seite auch immer). Dabei leben wir in Deutschland als Orientierungssportler nicht auf einer nationalen Insel. Unsere Sportart ist absolut international. Auch wenn sich die Fragen und Probleme in anderen Ländern dieser Welt wegen anderer Kulturen, Gesetzeslagen und Besitzverhältnissen häufig anders darstellen, grundsätzlich betrifft es immer ähnliche Themenfelder. Sie sind geprägt durch die unterschiedlichen Interessen der „Nutzer“ von Wald und Natur: Besitzer, Forstbehörden, Naturschutz, Jäger, Sportler, Wanderer, Spaziergänger, sie alle reklamieren Rechte, Sorgen und Interesse an Nutzung und Erhalt von Flora und Fauna - und schauen naturgemäß insbesondere mit dem von ihrem persönlichen Wissen und Interesse geprägten Blick auf die Geschehnisse, also auch auf mögliche Schreckensszenarios, die durch „die Anderen“ ausgelöst werden könnten. In diesem Sinne haben natürlich auch wir als OLerinnen und OLer eigene Interessen. Deshalb muss man zeitweise auch bereit sein, als Lobbyist für unsere Ziele aufzutreten. Dazu bin ich bereit. orientierungslauf.de: Was sind deine Ziele in dieser Position? Nikolaus: „OL - im Einklang mit der Natur“, das darf natürlich auch aber eben nicht nur als Tatsache beschrieben werden, sondern es ist auch ein Versprechen und bietet damit einen guten Start für Gespräche und Verhandlungen. Das sollte genutzt werden, um Vertrauen z.B. in Forstämtern, anderen Behörden und bei Besitzern zu erzeugen, die unseren Sport noch nicht wirklich kennen. Es gilt zu helfen, Rahmenbedingungen insofern zu verbessern, dass Wissen und Klarheit der Rechtslage verbessert wird, falsche Ansprüche auf allen Seiten vermieden werden und die Ziele im Auge behalten werden. Meine selbst gesetzten Meilensteine bzw. die zeitlich gestaffelten (strategischen) Ziele der nahen Zukunft sind: • Den Status erarbeiten wo wir stehen, was wir wissen, welche spezielle Expertise wir haben, wo unsere Hauptprobleme liegen und all dies zu dokumentieren • Welche politischen Möglichkeiten existieren, welche nutzen wir bereits, wo müssen wir mehr tun • Welche Fördermöglichkeiten gibt es, welche Wettbewerbe um Förderung von Natursportarten Zu den Zielen gehört auch die Beschreibung und Bereitstellung von „best practice Beispielen“. Gerne rufe ich die OL-Gemeinde auf, mir unkonventionell solche Beispiele zu liefern, aber durchaus auch solche, die Misserfolge ergeben haben, aus denen man lernen kann
orientierungslauf.de: Das Thema Umwelt- und Naturschutz ist insgesamt zu komplex, um durch die TK-Beauftragung auf einfache Art und Weise zu für unseren Sport schnell fassbaren Ergebnissen zu kommen. Wie möchtest du diese Problematik angehen? Nikolaus: Natürlich werde ich beispielsweise nicht für die Vereine vor Ort Waldnutzungsgenehmigungen verhandeln können und wollen. Die jeweilige Ausgangslage ist lokal sehr unterschiedlich und muss und kann letztlich durch die Akteure vor Ort in der Regel viel besser verhandelt werden. Genehmigungen zu erreichen gehört zu den wichtigsten und zugleich häufig schwierigsten Aufgaben im organisatorischen Bereich des Orientierungssports. Voraussetzung ist insbesondere eine ausreichende Kenntnis der komplexen Gesamtstruktur von Interessen der Waldnutzung, der administrativen Zuständigkeiten und den Rechten und Pflichten der Besitzer. In dieser Gemengelage gilt es, fair, diplomatisch, wertschätzend und behutsam, aber auch angemessen selbstbewusst vorzugehen und zu argumentieren, aber keineswegs rechthaberisch – insbesondere dann nicht, wenn man (wie so oft) tatsächlich im Recht ist. Es gilt die Interessen des jeweiligen Gegenübers zu bedenken und einzuordnen. Es soll aber auf der politischen und administrativen Ebene (Deutscher Olympischer Sportbund, Kuratorium Sport und Natur, Umweltverbände, politische Parteien, Abgeordnete usw.) versucht werden, die Rahmenbedingungen für Natursportarten wie OL zu verbessern oder mindestens Klarheit zu schaffen, was geht und was eventuell nicht geht. Wichtig sind eine frühzeitige Kommunikation und das Schaffen von Vertrauen, wobei man natürlich die rechtlichen Rahmenbedingungen kennen muss. orientierungslauf.de: Möchtest du den Vereinsvertretern konkrete Handlungsanweisungen zur Verfügung stellen? Nikolaus: Mein erstes Ziel ist es den Status der Handhabung von Genehmigungsverfahren darzulegen und anschließend ein Kurzmanual zu entwickeln, das den Vereinen vor Ort Orientierung über die notwendigen Schritte auf dem Weg zu einer Veranstaltung gibt. Weiterhin geplant ist ein Workshop Ende 2016. Dazu soll ein kleines, informelles Expertenteam rekrutieret werden. Einiges an Papieren und Verträgen liegt bereits vor, z.B. aus Niedersachsen, Sachsen und Hessen. orientierungslauf.de: Wirst du die Arbeit in diesem Themenbereich alleine angehen oder auch mit Spezialisten verschiedener Fachrichtungen zusammenarbeiten? Nikolaus: Bei diesem komplexen Thema ist Unterstützung unumgänglich. Deshalb wünsche ich mir Unterstützung durch Experten. Martin Nolte (Professor für Rechtswissenschaften; Sportrecht), Siegmar Breckle (Professor für Ökologie) und Nina Döllgast (Geologiestudentin) haben mir schon grundsätzlich zugesagt. Dabei geht es vor allem um deren Bereitschaft, in zunächst kleinen Dingen zu helfen, beispielsweise Texte zu überarbeiten und sie eventuell zu vervollständigen - aber auch ein kritischer Diskussionspartner zu sein und in Einzelfällen auch einmal bei Veranstaltungen als Redner oder Diskussionspartner gegenüber den Medien oder der Politik zur Verfügung zu stehen. Mit weiteren Personen finden Gespräche statt und Interessenten sind immer willkommen. Ich werde keine Wunder bewirken können. Das Thema ist zwar von zentraler Bedeutung für den Orientierungssport, aber letztlich müssen z.B. die Verhandlungen vor Ort weiterhin von den Vereinen geführt werden und vieles hängt von deren Wissen und Verhandlungsgeschick ab. orientierungslauf.de: Mit meiner abschließenden Frage möchte ich in die Zukunft schauen: Das Technische Komitee hat dich als Beauftragten für Umwelt- und Naturschutz vorgeschlagen und im Rahmen der Bundesversammlung im Dezember 2015 in Jena einstimmig gewählt. Wegen der Wahlperioden des TK gilt die Wahl bis zur kommenden Bundestagung im Herbst 2016. Wo siehst du dich dann in deinem Bereich? Nikolaus: Dann ist Zeit für eine Zwischenbilanz und die Arbeit wird gewogen und auch ich werde wiegen, ob ich den Zielen näherkommen werde. Das Interview führte Daniel Härtelt für orientierungslauf.de.