06. August 2003
KARIN AUF PLATZ 9 – RIESIG!
Diese eidgenössische Hitzeschlacht bei Winterthur hat auch Karin Schmalfeld für sich und die deutschen Orientierungsläufer gewonnen. Der neunte Platz bedeutet nämlich die beste deutsche WM-Platzierung aller Zeiten über den langen Kanten. Bisher hatte diesen Titel Frauke Schmitt Gran mit Platz 10 bei der Heim-WM von 1995 in Detmold inne. Dabei war der solide Rennverlauf im teilweise extrem steilen, typisch mitteleuropäischen Gelände für Karin kurzzeitig mehr als in Gefahr.

Sie stürzte einen steilen Abhang Richtung eines Weges, ihr Wade verkrampfte, der Kompass ging zu Bruch und einige Schürfwunden erzählten auch nach dem Lauf von dieser Aktion. So wie viele Brille tragende Läufer Ersatzkontaktlinsen beim Wettkampf bei sich haben, hat auch Karin ihren Ersatzkompass dabei, hinten im BH befestigt. Sie kann nach rund einer Minute Unterbrechung weiterkämpfen. Karin moniert ansonsten eine fehlerhafte Routenwahlentscheidung von Posten zwei zu drei. Hauptsächlich war die physische Komponente mit der Vorraussetzung der richtigen Route im bergigen Gelände entscheidend. Übrigens, Karins Rückstand auf Platz drei beträgt 3:25 min ... Und wenn wir Karin richtig verstehen, ist doch eigentlich die Mitteldistanz ihre Disziplin. Diese wird ja erst nach dem morgigen Ruhetag ausgetragen. Simone Luder, die Schweizer Ausnahmeathletin und Titelverteidigerin gewinnt nach dem gestrigen Sprinttitel auch das heutige Langdistanzrennen mit einem komfortablen Vorsprung und verweist die angestrebte Spezialisierung der Athleten auf die unterschiedlichen Disziplinen Sprint, Mittel und Lang ins Abseits. Ihre Lieblingsdisziplin ist Lang. Das Erreichen des Finals ist an sich schon eine Leistung. Luise Kärger und Meike Jaeger hatten dieses vor zwei Tagen ebenfalls vollbracht. So sind die Plätze 36 bzw. 38 zu würdigen. Beide waren auch völlig fertig von der Hitze. Luise erwischte einmal ein extrem steiles Hangstück, wo sie im losen Boden immer wieder abrutschte und fast nicht hochkam. Meike stürzte an einem steilen Hang als sie auf dem Hosenboden, anders ging es nicht, hinunterrutschte. Schürfwunden und eine leichte Rippenprellung sind die Folge. Ihre Laufkarte rutschte zum Glück neben ihr im gleichen Tempo. Ansonsten hätte sie den Hang wieder nach oben gemusst.
Ingo Horst hat genau wie Karin nur 11 Prozent Rückstand zum Weltmeister. Weil die Leistungsdichte bei den Herren aber noch dichter ist als bei den Damen, landet er mit dieser genialen Laufleistung aber gleich auf Platz 22. Er hat einen großen Kampf geliefert, mit einer ungeheuren Laufleistung. Ingo schätzt seinen Weganteil auf 80 Prozent. Das bedeutet ein erhebliches Mehr an zu laufenden Metern. Auch der Herrentitel auf der Königsdisziplin geht in die Schweiz. Einigermaßen überraschend gewinnt Thomas Bührer, der lange mit Verletzungen zu tun hatte und nur den Glanzpunkt an das Ende seiner Karriere setzt. Vielleicht wollte er auch nur den verletzungsbedingten Ausfall seiner Lebensgefährtin Marie-Luce Romanens ausgleichen. Die Silbermedaillengewinnerin von gestern und heutige Mitfavoritin musste wegen ihrer kaputten Achillessehne das Damenrennen aufgeben, nachdem sie den Fuß gestern nur mit Spritzen schmerzfrei bekommen hatte. Axel Fischer, der glückliche zweite Mann im Finale, kämpfte aufopferungsvoll, war am Ende nur noch „grau“ und belegt gut eingereiht Platz 42. Gleich zwei Sichtposten plus Endposten im Zielgelände sowie fünf Zwischenzeiten brachten den Orientierungslauf zu den Zuschauern. Einige von ihnen brauchten bis zum Ende, um zu verstehen, warum ihre Idole mal hier und dann gleich wieder dort entlang laufen. Aber auch einige Läufer mussten im Pflichtstreckengewirr erst von Helfern in die richtige Richtung geschickt werden. Vielleicht 3000 Zuschauer verfolgten das Spektakel live, auch den „deutschen Moment“, als Karin und Ingo auf zwei parallel verlaufenden Pflichtstrecken nebeneinander rannten und nach 100 m links und rechts abbogen. Insgesamt waren die Strecken sowohl bei den Damen als auch bei den Herren wie schon in den Vorjahren viel zu lang und das lag sicher nicht nur an der unsäglichen Hitze. Hier ist die IOF sicher gefordert, einzuschreiten. Gegen die Hitze sah man einige Läufer sogar mit leichten Trinkrucksäcken laufen. Viele Getränkeposten sowie nasse Schwämme sorgten auch für Flüssigkeitsnachschub. Seien wir also gespannt auf Freitag und Samstag. Dann stehen die Paradedisziplinen der Deutschen, Mitteldistanz und Staffel auf dem Programm. Die Staffel wir nur noch mit drei Läufern bestritten, was die Chancen der kleinen OL-Nationen wie Deutschland durchaus erhöht. Bei der letzten WM in Finnland vor zwei Jahren errang Karin Schmalfeld bekanntermaßen einen sechsten Platz über die Mitteldistanz, die damals noch Kurzdistanz hieß. Morgen ist für alle Teams Ruhe- und Trainingstag. Viele internationale Sitzungen zu Fragen der OL-Technik, des Elitesports oder der OL-Politik finden dann forciert statt.
WM 2003, Finale Lange Distanz Damen (11.8 km, 350 m, 19 Controls) 1. Simone Luder 78 SUI 1:26:14 2. Karolina Arewang 71 SWE 1:29:19 3. Brigitte Wolf 67 SUI 1:32:52 4. Emma Engstrand 77 SWE 1:33:59 5. Sara Gemperle 77 SUI 1:34:28 6. Barbara Baczek 72 POL 1:34:31 9. Karin Schmalfeld 76 GER 1:36:28 36. Luise Kärger 78 GER 1:51:20 38. Meike Jaeger 71 GER 1:51:49 Männer (16.7 km, 540 m, 34 Controls) 1. Thomas Bührer 68 SUI 1:48:20 2. Yuri Omeltchenko 71 UKR 1:50:35 3. Emil Wingstedt 75 SWE 1:51:08 4. Carsten Jörgensen70 DEN 1:51:42 5. Mikhail Mamleev 75 RUS 1:51:55 6. Björnar Valstad 67 NOR 1:52:00 22. Ingo Horst 77 GER 2:00:39 42. Axel Fischer 76 GER 2:19:00