29. Dezember 2002
Jugend und Junioren – Saisonrückblick 2002
Eine ereignisreiche Saison liegt hinter der deutschen Jugend- und Junioren-Nationalmannschaft und so scheint es angemessen, sie an dieser Stelle noch einmal Revue passieren zu lassen und zu fragen, welche Schlußfolgerungen für die Zukunft aus dem Geschehenen zu ziehen sind. von Jan Birnstock und Maxim Reichardt
Die Zielstellung des Nachwuchskaders für 2002 lag in guten Resultaten bei der Jugend-EM in Polen und der Junioren-WM in Spanien. Der Weg dorthin sollte durch zahlreiche, wettkampfspezifische Kadermaßnahmen und einen guten Zusammenhalt in der Mannschaft geebnet werden:
- Bereits Anfang Januar fand der erste Wochenend-Kadertreff in Kassel mit den Schwerpunkten Teambildung und Kräftigung/Dehnung/Verletzungsprävention statt.
- Im Februar folgte ein fünftägiges gemeinsames Trainingslager mit dem A- und B-Kader. Hier stand der Erfahrungsaustausch und Leistungsvergleich mit den besten deutschen Eliteläufern im Vordergrund.
- Die erste internationale Standortbestimmung für ein 10-köpfiges Juniorenteam war im März der Spring-Cup in Dänemark mit zum Teil durchwachsenen Ergebnissen. Herausragende Resultate waren Christian Teichs 4. Platz im Einzel (H-18) und der Staffelstart von Patrick Hofmeister (Schnellster auf der Startstrecke mit mehreren Minuten Vorsprung in H-18).
- Zu Ostern folgte ein zehntägiges Trainingslager an der Ostsee in einem für die JEM und die JWM-Kurzstrecke relevantem Geländetyp. Trotz Unterbringung in einfachen und leider sehr beengten Verhältnissen eine sehr effektive Maßnahme in guter Atmosphäre.
- Die JWM-Kernmannschaft schloß zu Pfingsten ein weiteres Trainingslager im selben Gelände an.
- Ende Juni fand in Polen die Jugend-EM statt, unmittelbar davor gab es vor Ort ein Trainingslager, um die Aktiven auf das Gelände einzustimmen. In den Einzelentscheidungen waren es vor allem die D-16er Rebecca Reischuk, Jitka Kraemer und Annett Juras sowie der H-18er Patrick Hofmeister, die mit guten Plazierungen überzeugen konnten. Das Highlight dieser Saison war dann der Titelgewinn der H-18er Staffel mit Patrick Hofmeister, Torben Wendler und Christian Teich. Trotzdem konnte in der Nationenwertung die Vorjahresplazierung nicht gehalten werden.
- Die beiden ersten Juli-Wochen galten einem Trainingslager und der JWM in Spanien. Immerhin vier der acht deutschen Aktiven erlebten aus Altersgründen hier ihre letzte JWM - entsprechend hoch waren die Erwartungen. Schlußendlich überzeugte das Team mit einer geschlossenen Mannschaftsleistung: Fünf der Aktiven erreichten auf der Kurzstrecke das A-Finale der besten 60 und belegten dort die Plätze 22 (Insa Müller), 26 (Leif Bader), 36 (Christian Gieseler), 38 (Kirsten Müller) und 39 (Elisa Kaufmann). Auf der Klassikstrecke kamen noch drei Top-50-Plazierungen hinzu: 26 (Insa), 37 (Christian Teich) und 45 (Sieglinde Kundisch). Die Damenstaffel lief auf den 10. Platz, die Herren hatten Pech, Schlußläufer Christian Teich verletzte sich auf Platz 7-8 liegend, am Ende sprang Rang 13 heraus. In der Nationenwertung summierte sich das zu einem 11. Rang unter 31 Teilnehmerländern, der besten Plazierung der letzten Jahre.
- Ende Juli reiste der Kader zu einem Trainingslager nach Schweden, verbunden mit der Teilnahme an der Jugend-Tiomila. Während die Damen-Staffel dort leider nie richtig ins Rennen fand und sich am Ende nur auf Platz 25 wiederfand, sah man bei den Herren ein zweigeteiltes Rennen: Einem verkorksten Start (Platz 65 nach 2 Wechseln) folgte eine famose Aufholjagd, die noch bis auf Platz 13 führte. Realistisch gesehen war an diesem Tag der Sieg möglich.
- Den Jahresabschluß bildete das Juniormatch, das diesmal ohne skandinavische Beteiligung stattfand. In den Einzelentscheidungen konnten sich in allen 4 Kategorien deutsche Läufer in den Top-10 plazieren. Sieglinde Kundisch verpaßte in der D-20 das Treppchen nur um Sekunden und wurde ebenso 4. wie Patrick Hofmeister in der H-18 und das deutsche Team in der Nationenwertung.
Nach Abschluß der Wettkampfsaison ist festzustellen, daß der Abstand zu den Top-Nationen Finnland, Schweden, Schweiz, Tschechien und Russland „überschaubar“ bleibt. Im direkten Vergleich mit Athleten dieser Verbände tun sich unsere Aktive zwar schwer, aber gegen die anderen Nationen brauchen und sollten wir den Vergleich nicht scheuen. Ein gutes Niveau in der „Breite“ der Mannschaft wurde erreicht. Der Staffelsieg bei der JEM sowie das insgesamt überdurchschnittlich gute Auftreten bei Staffelwettkämpfen ist deutliche Bestätigung dafür. Es fehlen absolute Spitzenläufer, die bei Einzelentscheidungen internationaler Meisterschaften auf das Siegerpodest laufen können. Ein besonders hervorzuhebender Grund für das Erreichen des heutigen Leistungsniveaus ist ein hohes Maß an professioneller Einstellung zum Sport, obwohl die Rahmenbedingungen in der Regel nichts weniger als günstig sind. Daß diese Einstellung mit enormem finanziellem Aufwand abgesichert werden muß, kann nicht oft genug betont werden. Es sind seit Jahren fast ausschließlich private Mittel der OLer, mit denen hier gearbeitet wird. Die im OL weit verbreitete Herangehensweise, Aktive nur zu einer der beiden großen internationalen Meisterschaften in Sommer starten zu lassen, wird ab sofort auch für uns gelten. Über mehrere Jahre läßt sich die Entwicklung erkennen, daß die Leistungsträger der D und H-16 bei der JEM in späteren Jahren auch in der absoluten Weltspitze zu finden sind. In dieser Feststellung begründet sich die Notwendigkeit schon die 18er Leistungsträger zielgerichtet auf die JWM vorzubereiten. Zu dieser Vorbereitung gehört auch das Definieren eines eindeutigen Saisonhöhepunktes. Zwei Wochen Pause zwischen JEM und JWM lassen keine 100%-ige Fokussierung auf beide Wettkämpfe zu. Es gibt vielfältige Gründe dafür, daß unsere gesetzten Ziele sowohl im Einzelnen als auch im Mannschaftsergebnis nicht immer erreicht werden konnten. An erster Stelle ist hier die lächerliche finanzielle Situation zu nennen. Der Bereich Nachwuchs verfügt über einen jährlichen Zuschuß von EUR12500,-. Aus diesem Geld werden die internationalen Hauptwettkämpfe und alle Vorbereitungsmaßnahmen (s.o.) des über 20-köpfigen Kaders bezuschusst. Eine Reihe notwendiger Trainingslager fallen alljährlich der finanziellen Ausstattung zum Opfer. Inzwischen wird unsere Teilnahme an einem internationalen Wettkampf komplett und einige Vorbereitungsmaßnahmen teilweise vom Förderverein unterstützt. Tendenz steigend. Ohne diese Gelder müßten wir mindestens 2 weitere Kadermaßnahmen jährlich streichen. Visionäre werfen bereits die Frage auf, den Kader nicht mehr vom Verband sondern von Förderverein berufen zu lassen. Ein weiterer wichtiger Grund liegt in den nationalen Wettkampfstruktur. Im Terminkalender finden sich zahlreiche Widersprüche. Einerseits ist das Jahr voll mit Bundesterminen (bei denen der Bundeskader nicht fehlen sollte), andererseits beginnen Bundeswettkämpfe relativ spät im Jahr. Dadurch wird z.B. eine wichtige Positionsbestimmung wie der Spring Cup in der Regel ohne nennenswerte Vorbereitungswettkämpfe gelaufen. Durch das frühe Wettkampfsaisonende Anfang Oktober und die Sommerpause finden die Bundestermine in sehr dichter Folge statt. Der Terminkalender wirkt überladen, mit allen negativen Konsequenzen für die Größe des Starterfeldes, regionale Vorbereitungswettkämpfe, Auslandsstarts, Training. Dazu kommt die um Jahre verspätete Reaktion auf Veränderungen im internationalen Geschehen. So wird z.B. der Sprint inzwischen als gleichberechtigte Disziplin bei allen IOF-Wettkämpfen außer JWM gelaufen. In vielen, leider kann man sagen den meisten, Fällen sind erhebliche Mängel im Training unserer Aktiven zu beobachten. Die Gründe für zu geringe Trainingsumfänge sind vielfältig. Z.T. erweckt die verschwindend geringe Konkurrenz im eigenen Land den Eindruck einer soliden Vorbereitung (der Ausweg liegt in Auslandsstarts bei großen Wettkämpfen unserer Nachbarn), z.T. werden die absolvierten Trainingsumfänge von den Heimtrainern als ausreichend eingeschätzt. Zu den Mängeln beim Training gehören auch die geringe Akzeptanz und Nutzung der medizinischen Betreuung und ungünstige Trainingsbedingungen in den Heimatvereinen.
Durch zielgerichtetes Arbeiten an den genannten Kritikpunkten wird sich der Abstand zu den Top-Nationen verringern lassen. Außerdem – und hier liegt das medienwirksame Element – werden für einzelne Leistungsträger absolute Spitzenergebnisse erreichbar. Wir werden uns auch mittelfristig damit abfinden müssen, nicht mit allen JWM-Teilnehmern gleichzeitig unter die Top 20 laufen zu können. Wir haben aber das notwendige Potenzial, um nach einzelnen Podiumsplätzen zu greifen. Für die JWM sind Mannschaftsziele erst für das Jahr 2004 definert. Durch die grundlegende altersbedingte Umstrukturierung des C-Kaders soll der Fokus im Jahr 2003 in Estland auf den individuellen Ergebnissen liegen. Bei der JWM 2004 in Rußland wird eine Top 6-Staffelplazierug und ein 8. Platz in der Nationenwertung angestrebt. Durch die höhere Fluktuation im DC-Kader liegt der Brennpunkt der Vorbereitungsarbeit zeitlich näher. Mannschaftsziel für 2003 Slowakei und 2004 Österreich ist die Wiederholung des 6.Platzes von 2001 in Tschechien. Daß sowohl individuelle als auch Staffel-Plazierungen auf dem Siegerpodest durchaus realistisch sind, haben die letzten beiden Jahre gezeigt. Ähnliche Ergebnisse werden jährlich angestrebt. Unsere Ziele für die kommenden Jahre sind in der Analyse der vergangenen 3 Jahre gemeinsamer Arbeit der 3 Nachwuchstrainer begründet. Während dieser Zeit hatte Sybille Milz ihre Aufgaben als Dritte im Bunde, Co-Trainerin und „Mädchen für Alles“ hervorragend erfüllt. Herzlichen Dank dafür auch an dieser Stelle. Kleine Entschädigung mag sein, daß sie am Erreichen des JEM-Titels in Polen unmittelbar beteiligt war. Durch ihren langfristig vorbereiteten Rückzug aus der Trainerarbeit hatten wir ausreichend Gelegenheit Nachfolger zu suchen. Wir blicken zuversichtlich auf erfolgreiche Weiterarbeit mit unseren neuen Co-Trainern Rolf Breckle, Wieland Kärger (beide C-Kader) und Tim Schröder (DC-Kader).