17. April 2012
„Du sollst nicht auf die Antiquitäten klettern“...
lautet die zugegeben etwas freie Übersetzung eines Hinweisschilds in Caesarea, einer der vielen antiken Stätten in Israel. Auch in diesem Jahr reisten wir als kleine Gruppe deutscher Orientierungsläufer ins Land der unterschiedlichen Kulturen. Ein Reisebericht gibt einen Überblick über das Land im Nahen Osten, in welchem im kommenden Jahr die Europameisterschaften der Jugend ausgetragen werden.
Wir waren vor allem zum OL in Israel. Leider fielen die ersten beiden der geplanten Läufe aus, weil sich ein heftiger Wüstensturm angekündigt hatte. Der traf auch ein und setzte die Straßen unter Sand. Es war empfindlich kalt, begann zu regnen und wir waren froh, da nicht raus zu müssen. An der offenen israelischen Meisterschaft in der Nähe von Jerusalem nahmen dann bei deutlich freundlicheren Bedingungen Läufer aus neun auswärtigen Ländern teil. Das Gelände am ersten Tag schien für uns nicht allzu fremd – flach hügelig, relativ offener Wald mit Unterwuchs, viele Wege und noch mehr Steine. Die Kleinen rutschten gelegentlich weg, bei den größeren Steinen musste man schon Vorsicht beim Übersteigen walten lassen. Mehrmals, ob wir wollten oder nicht, mussten wir Wiesen von Cyclamen und Anemonen durchqueren – Frühling in Israel. Der zweite Tag erwies sich als wesentlich schwieriger, weil weitgehend halboffenes Gebiet mit Sträuchern, einzelnen Bäumen und verstreuten offenen Flächen zu belaufen war. Besonders gemein: Opuntien, die mit ihren langen spitzen Stacheln selbst bei der kleinsten Berührung schmerzhaft zustechen. Dazu die Steine vom Vortag und vor allem Mauern. Mauern aus aufgeschichteten Steinen, kreuz und quer, zwischen einem halben und zwei Meter hoch. Normalerweise wären das hervorragende Objekte für einen lockeren Nachmittagsspaziergang, aber da standen eben noch die Büsche und Kakteen und irgendwie hatte man das Gefühl, den tschechischen Kartenzeichner habe irgendwann der Mut verlassen, das alles genau aufzunehmen. Andererseits waren die halboffenen Flächen geradezu akribisch klassifiziert, überinterpretiert, was dem Läufer absolut nichts nutzte.
Nächstes Jahr richtet Israel die Jugend-Europameisterschaften aus und ich bin sicher, das wird eine würdige Veranstaltung. Bis dahin werden die Israelis ihre Karten wohl weiter verbessern, aber das Gelände bleibt anspruchsvoll und man kann nur hoffen, dass unsere jungen Leute dann vor allem orientierungstechnisch gut drauf sind. Allein eine gute 3000 m Zeit nützt hier gar nichts. Podestplatzierungen unserer kleinen Mannschaft schafften Urs Trösch mit einem hervorragenden 2. Platz in der H 40. Eberhard Höfer freute sich über Platz 3. in der H 70. Aus Touristensicht bleibt die über Jahrtausende herausgehobene Stellung von Jerusalem unbestritten beeindruckend. Spricht man von dieser Stadt, darf man getrost das Wort „faszinierend“ verwenden. Drei Religionen sehen Jerusalem als das größte oder eines ihrer wichtigsten spirituellen Zentren an und wachen eifersüchtig über ihre Rechte. Unser Guide Jonathan zeigte und beschrieb uns die Situation in perfektem Maschinengewehr-Amerikanisch. Er schaffte den Abriss der letzten 3500 Jahre in zwei Minuten. Die vier Viertel der Altstadt haben ihren eigenen Charakter. Wichtigster Ort des Christlichen ist die Grabeskirche, die sich sechs Konfessionen teilen. Nicht zu vergessen: Auch die Muslime blicken aus ihrer Omar-Moschee direkt auf den Vorplatz und die evangelische Kirche (mit dem höchsten Turm mit der besten Aussicht über die Stadt) steht gleich um die Ecke. Vom armenischen Viertel sieht man außer wenigen, mit sehr hohen Mauern abgegrenzten Gassen, schlicht und einfach - nichts. Das jüdische Viertel wirkt klar, sauber, distanziert und der Basar ist übersichtlich.

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An der Westmauer zeigt sich das Problem der Stadt in ihrer ganzen Komplexität. Die Mauer ist an die 20 m hoch und schließt den Tempelberg nach der Stadt hin ab. Auf dem Plateau darüber stehen zwei der wichtigsten muslimischen Heiligtümer – die Al Aksa-Moschee und der Felsendom, der mit seiner strahlenden goldenen Kuppel das Stadtbild wesentlich prägt. Wir Andersgläubigen können zu festgelegten Zeiten über den Tempelberg gehen, die Juden dürfen nicht, obwohl oder weil dort früher einmal ihr Tempel stand. Der aber wurde zweimal zerstört, der Platz später von den Arabern überbaut und ist nun heiligstes muslimisches Gebiet. Das quirligste Viertel ist dann auch das muslimische. Hier wohnen, arbeiten und handeln wesentlich mehr Menschen als in den anderen drei Vierteln zusammen. Hier quetschen sich Vertreter aller Völker und Religionen durch die Basar-Gassen, kaufen, verkaufen, schnitzen, hämmern, trinken Tee und Kaffee oder spielen. Interessant zu wissen ist außerdem, dass in Israel fast das ganze Jahr über an jedem Wochenende OL stattfinden. Es starten durchschnittlich 250 Läufer bei den kleinen regionalen und über 500 Starter bei den Ranglistenläufen.
Mehr:
Homepage Orientierungslauf Israel (englisch)
Video Mountain Challenge 2012 Israel