06. Januar 2023
Gedanken zur Geschichte des GOF, des MTBO und des Archivs
Das Archivmaterial des GOF/MTBO ist aufgearbeitet. Ob es komplett ist, wird die Zeit zeigen. Jüngere Sportfreunde sollten es und müssen es weiter fortführen. Wo die Originaldokumente einmal gelagert werden, muss recht schnell entschieden sein. Da der Sportfreund Rohr – der Archivar des GOF/MTBO schon ein hohes Alter erreicht hat. Die Geschichte unserer Sportart muss also weitergeschrieben werden. Wir haben uns schon für dieses Projekt zu viel Zeit gelassen. Sportfreunde sind verstorben, die uns wichtige Informationen hätten liefern können. Nun sind jüngere Jahrgänge aufgefordert, die neuere Geschichte unserer Sportart aufzuschreiben und das Archiv zu ergänzen. Zwischen der ersten Quelle (1893-Österreich) und den 50er Jahren, wo die „Neuentstehung“ der Sportartart nachvollziehbar wird, besteht eine enorme historische Lücke. Diese muss von jüngeren Sportfreunden geschlossen werden.
Im Frühjahr des Jahres 2022 beschaffte ich mir von der Sporthochschule Köln die Diplomarbeit zum GOF/ MTBO. Meine Gedanken kommen also recht spät. Aber lieber später als gar nicht.
1959 wurde ich organisierter Radwandersportler in Leipzig. Im Frühjahr des folgenden Jahres fuhr ich mit zu einem Wettbewerb der Radwanderer nach Dahlen. Touristisches Geländeorientierungesfahren (GOF) hieß der Wettbewerb. An die Ursprünge dieser Sportart dachte damals niemand. Schon gar nicht daran, dessen Geschichte aufzuschreiben. Im Sommer des Jahres 1961 nahm ich dann in Rostock-Markgrafenheide erstmalig an einem solchen Wettbewerb teil. Über die Geschichte des Orientierungsfahren dachten wir, dass diese Wettkampfart eine „Erfindung“ von verschiedenen älteren Radwandersportfreunden sei, die wir alle kannten. Nach dessen wahren Ursprüngen zu „forschen“, kam niemanden in den Sinn. nach den Anfängen des GOF zu suchen. Ich sagte zu und handelte nach dem Leitmotiv, dass es für Geschichte nie einen Schlusspunkt gibt. Aber wo ist der Anfang für historische Prozesse? Scherzhaft kam mir nach einiger Zeit des Grübelns und des Suchens der Gedanke, dass der Karl Freiherr von Drais der erste Orientierungsfahrer gewesen sein muss, der sich bei seinen Fahrten auf dem Holzrad als Kurier von Briefen und Nachrichten erst mal über die günstigste Strecke orientieren musste. Nebenbei gesagt, waren Pferde nach den napoleonischen Kriegen knapp und des Freiherrn Kasse war leer.
Bei den ersten Straßenradrennen nahmen die Fahrer Landkarten mit, um Abkürzungen zu suchen. Das hatte doch schon etwas mit „Orientierungsfahren“ zutun, wenn auch sehr unsportlich. Man orientierte sich im Terrain. Irgendwann muss der Gedanke aufgekommen sein, Punkte im Gelände mittels Rades und Karte aufzusuchen. Ich nahm bis vor kurzem immer an, dass das Orientierungsfahren in den 1950er Jahren in der DDR erdacht worden war. Weit gefehlt.
Das „Hand- und Auskunftsbuch für Alt und Jung – Das Wanderfahren auf dem Rade“ vom Urvater des Radwanderns Gregers Nissen (Hamburg- Altona) könnte eventuell zu neuen Erkenntnissen führen. Übrigens, dieser Sportfreund brachte den ersten deutschen Radfahrerverband auf den Weg. Nachdem ein zweiter Verband entstanden war, schaffte er die Vereinigung beider Organisationen.
Mit der Erfindung des Hochrades starteten auch die ersten Radrennen. Als das Niederrad erfunden war, stieg die Zahl der Radwettbewerbe an. Selbst Damenrennen gab es gegen 1860 schon in England. Ein bisher einziges Geländeorientierungs-Wettfahren weist eine Zeitung aus der Doppelmonarchie Österreich-Ungarn im Jahre 24. September 1893 in Langenlois/Nieder-Österreich auf. In dieser Meldung wird der Begriff Terrainfahren verwendet.
1942 fand in Schweden ein stark besuchtes Orientierungsfahren statt. Zwischendurch fanden wir bisher keine andere Quelle. Beide Meldungen reizten mich sehr stark an, an der Arbeit für ein Archiv des GOF-Sports und der Geschichte des GOF/MTBO mich zu beteiligen.
Mein betagter Lehrausbilder war Radwanderfahrer im Verband „Solidarität“. Sehr oft erzählte er von großen Radsportereignissen in Europa. Von Orientierungsfahren sprach er nie. Viele Jahre später lernte ich den Radmechaniker des Armeesportklubs in Leipzig kennen. Den habe ich damals gefragt, ob in seiner „Rennerzeit“ Orientierungsrennen stattfanden. Von derlei Veranstaltungen hatte er noch nie gehört. Daran habe ich mich erinnert, als mein Sportfreund Gerhard Rohr mich um Mitarbeit bat. Ich war angestachelt, nach den Ursprüngen des GOF zu suchen.
Tausende Seiten in alten Radsportzeitungen und Mitteilungsblättern des internationalen und nationalen Orientierungsläuferverbandes habe ich durchforstest. Auch viele Quellen des DDR-Verbandes der Orientierungsläufer siebte ich nach Hinweisen auf die Ursprünge des Radorientierungsfahrens durch. Ergebnis: Nichts. Auf die Idee einen Verantwortlichen für Öffentlichkeitsarbeit zu benennen, kam offenbar damals niemand. Einmal in der Mitte der 60er Jahre fand im Raum Leipzig eine GOF-Veranstaltung statt, bei der großformatige Plakate in den Farben Schwarz-Beige-Rot mit einer raffinierten Grafik auf dieses Ereignis hinwiesen. Sportfreund Rohr hat noch einen Rest eines solchen Plakates in seinem Archiv.
Ich bin allerdings bei der Durchsicht der Zeitungen und anderer Dokumente zur Einsicht gekommen, dass das GOF schon damals besser unter dem „Dach“ des Orientierungsläuferverbandes aufgehoben gewesen wäre. Vieleicht wären Läufer zu den Radsportlern gewechselt. Aber Arndt Wiese und andere, sowie der Radsportverband hatten offenbar eine andere Sicht auf die damaligen Probleme und hätten die Akteure wegen Spaltung der sozialistischen Sportbewegung sicher vor eine Disziplinarkommission gestellt. So ist es mir und einem Sportfreund um das Jahr 1965 ergangen, als wir die neue Radsportgemeinschaft Aufbau Entwurf Leipzig gründeten. So fuhren wir als Gastmitglieder des „Wanderverbandes“ GOF-Rennen im DRSV. Holten im B-Lauf einen Sieg. Und der Sieger wurde von Sportfreunden anderer Sektionen auf den Schultern zum Siegerpodest getragen.
Nachdem unsere kleine Gemeinschaft zahlenmäßig anwuchs und die Finanzen knapp wurden, wechselten wir zur BSG Baukombinat Leipzig. In dieser BSG kam, gesteuert durch den DTSB, der Gedanke auf, Chroniken zu schreiben. Unsere Chronik liegt im Archiv des Fördervereins GOF/MTBO vor.
Von einer Diplomarbeit zum GOF/MTBO hörte ich von Sportfreund Gerhard Rohr. Die habe ich nach langen Bemühungen aus Köln von der Sporthochschule verschafft. Geholfen hat uns Dr. Ansgar Molzberger, dem wir zu Dank verpflichtet sind, denn ein Exemplar der Diplomarbeit kursierte schon in den Reihen der MTBOer, ist aber nicht mehr aufzufinden.
Dank dieser Diplomarbeit hat jeder Interessent die Möglichkeit, sich umfangreich und tiefgründig mit der Radsportdisziplin MTBO zu befassen. Sie ist die reichste Quelle, die uns bisher bekannt ist. Im Archiv findet man sie vor.
Zurzeit beschäftigt mich die Suche nach Quellen. Der Urvater des Radwandersports Gregers Nissen aus Hamburg-Altona – er war einer der Gründer des offensichtlich ältesten deutschen Radsportvereins – hat eine Unmenge an „Radwanderbüchern“ verfasst. Alle beschriebenen Touren hat er selbst abgefahren. Zum Terrainfahren fand ich in seinen Schriften nichts.
Zur Diplomarbeit möchte ich einige umfangreiche Bemerkungen machen.
Die Staatsbezeichnung Tschechoslowakei ist nicht korrekt, war aber im Sprachgebrauch üblich. Es muss ab 1960 Tschechoslowakische Sozialistische Republik heißen.
Die Kommission GOF hieß auch mal Fachausschuss.
Zu Zeiten der Erstellung der Diplomarbeit war GOF-Breitensport. Dem SRB bzw. dem BDR ist dafür kein Vorwurf zu machen. Die falsche Zielstellung kam aus dem Bereich der GOF-Funktionäre bzw. -Sportler. Das war in der Folge der Jahre falsch. Inzwischen ist MTBO unstrittig Leistungssport.
Zwei Aspekte führten allmählich weg vom BDR:
- Die katastrophalen Dopingereignisse um den BDR-Straßenrennsport Ende der neunziger und Anfang der 2000er Jahre und
- dass speziell für den MTBO-Sport eine weitere Internationalisierung nur über den Orientierungssport (DTB und DOSV) zu erreichen war und erfolgt ist.
Mountainbiking ist international Hochleistungssport! Also keine Modeerscheinung“ Auf den MTBO-Sport trifft das meines Erachtens ebenfalls zu. Orientierungssport ist Sache eines hochspezialisierten Personenkreises auf vergleichsweise hohem Anforderungsstandard, welches aber auf ein allgemein erreichbares Niveau reduziert werden sollte. Meines Erachtens war die Zielstellungaus dem GOF-Lager Breitensport zu machen falsch.
In der nachfolgenden Zeit wurden bzgl. Reduzierung, insbesondere der intellektuellen Anforderungen Angebote als Einstieg in die Sportart MTBO gemacht. Aber mehr sollte und konnte da auch gar nicht „gehen“, infolge der veränderten Zielstellung auf Leistungssport.
Der Autor der trefflichen Diplomarbeit schreibt:
„… inwieweit das in den neuen Bundesländern auf hohem Leistungsniveau betriebene GOF für den Breitensport modifizierte werden und welche Rolle das Mountainbike dabei spielen kann.“ Diese Arbeit will die Sportart „GOF“ vorstellen und ihre breitensportlichen Rahmenbedingungen unter der Ägide des BDR untersuchen.“
Meines Erachtens ist diese Zielstellung falsch (siehe weiter oben). So kann eben auch das Ergebnis nur falsch werden.
Durch Radwandern sollte einst unsere schöne (sozialistische) Heimat kennengelernt werden und sich dabei im touristischen Wettkampf gemessen werden.
Arndt Wiese betonte „… Heimat kennenlernen“. Hans Schütze betonte meines Erachtens zu Recht den Wettkampfcharakter der Sportart.
Auf Seite 3 der Diplomarbeit wird offenbar, dass die Arbeit vom historischen Teil her sehr „köhlerlastig“ ist. Gemeint ist Karl-Heinz Köhler aus Radeberg. Es gab aber in dieser Zeit noch andere aktive Sportfreunde. So zum Beispiel Willi Thierbach aus Erfurt, Alfred Lorek aus Halle a. d. Saale, Harry Janker , Herbert Kirschner , Paul und Arndt Wiese, Max Koksch, Alfred Kuhnt und andere. Einige von ihnen hielt ich immer für die Erfinder des GOF oder dessen „Wiederbeleber“.
Nach deren Ausscheiden aus Altersgründen rückten nach Schulungen durch den Fachausschuss sehr schnell jüngere Sportler nach. Oft fuhren sie noch als Aktive GOF-Wettbewerbe oder Rallys.
Ab dem Jahr 1956 begann im Radwandersport eine „neue Zeit“. Diese muss m.E. intensiver beleuchtet werden. Erinnerungen sind gefragt, da es kaum Dokumente gibt.
Rudi Lorenz (Motor Albert Richter Halle) wurde erst in den siebziger Jahren Vorsitzender der Kommission GOF. Hier war der Autor der Diplomarbeit ungenau informiert.
Die zwei Berliner Radwanderfunktionäre Helmut Geisler und Wolfgang Rapsch werden in der Diplomarbeit meines Erachtens zu Recht erwähnt. Rapsch hatte sich unmittelbar nach dem Jahr 1990 auf unergründliche Weise zum „Häuptling“ der GOFer aufgeschwungen, ohne auch nur die geringste Legitimation zu haben, fuhr er doch kaum GOF-Rennen und organisierte meines Erachtens keine oder kaum Veranstaltungen. Die GOFer akzeptierten ihn nicht. So verschwand er, wie auch Geisler, rasch aus der GOF-Szene. Auf einem Alt-GOFer-Treffen in Blankenheim tauchte er meines Erachtens allerdings einmalig auf.
Das Jahr 1959 als „Wende“ zum Leistungssport zu benennen, so die Diplomarbeit sicher nach Informationen durch Alt-GOFer, halte ich, so auch Gerhard Rohr, für überdenkenswert.
GOF-Rennen waren sehr oft mit Radwandererveranstaltungen kombiniert. Bei diesen „Treffen“ wurde noch vereinzelt „Corso“ gefahren. So in Bad Schmiedeberg und Eckartsberga. Corsofahrten müssen früher radsportliche Großereignisse gewesen sein. Nachzulesen bei Nissen.
Lange Zeit führten GOFer auch noch Fahrtenkontrollkarten für die Jahreswertung Radwandern“.
Das Ranglistensystem wurde 1966 initiiert und ab 1967 durch Fachausschussbeschluss verbindlich eingeführt. Auch das System der „Deutschen- bzw. DDR-Meisterschaft gab es nach Ansicht von Rohr und Simon schon seit 1957. So die Aktenlage im Archiv. Bei diesem Fakt war der Diplomand durch Karl-Heinz Köhler falsch informiert.
Derartige gemeinsame Veranstaltungen gab es bis in die 80er Jahre (z.B. den jährlichen Buchenwaldgedenklauf, den es seit 1960 gab). Auch Rahmenwettbewerbe im GOF anlässlich der WM im OL 1970 in Friedrichroda / Finsterbergen und anlässlich des 1. Verbandstreffen des DWBO 1981 in der Sächsischen Schweiz sollen erwähnt sein.
Auch die Entwicklung nach 1989, die letztlich Ende der 90er Jahre zu den noch heute funktionierenden Gemeinsamkeiten unter dem Namen MTBO führten, müssen beachtet werden.
Pflanzenstrecke (Gewächse mussten bestimmt werden), Keulenzielwurf, Sturmbahn, Zeltaufbau, Mechanikerpunkt (kleine Radteilmontagen) und Entfernungsschätzen wurden schon Anfang der 60erJahre Jahre „abgeschafft“ durch die Einführung neuer Wettkampfbestimmungen. Das geschah auf Initiative von Herbert Kirschner aus Crimmitschau, Hans Schütze aus Werdau und Gerhard Rohr aus Leipzig.
Alt- und Neuorientierungsfahrer werden sich fragen, warum ich mich so verspätet zur Geschichte unseres Sports zu Wort melde.
Vom Projekt „Geschichte des GOF-Sports“ und von der beachtlichen Diplomarbeit habe ich erst vor relativ kurzer Zeit erfahren durch den Ex-GOFer Gerhard Rohr, der mich bat mitzuarbeiten.
Resümee
„Würde Geschichte neu geschrieben“, sagt der Autor Moritz Müller Wirth in seinem Buch „Das zweite Gesicht“, „sie wäre überholt. Die stete Revision von gültigen Meinungen gehört zum Handwerk des peniblen Historikers. Es kommen neue Quellen hinzu, bestehende verlangen, neu interpretiert zu werden, die Forschung korrigiert frühere Befunde. Selten ist der neue Blick auf eine lange zurückliegende Entwicklung der gleiche wie der alte.“
Sportfreunde, schaut in euren Schubladen nach alten Dokumenten, fragt Alt-GOFer nach Schriftstücken und Erinnerungen unter anderem in Form von Anekdoten. Versucht an alte Radsportbücher und Zeitungen zu gelangen Außerdem vor allem >AUDIO, FOTO- und VIDEO-Dokumente<. In diesen Komplexen ist das Archiv nach wie vor schwach besetzt. Beim BDR und der UCI nachzuforschen ist zwecklos, da man keine Antwort erhält.
Aus Wien hat man mir dankbarerweise geantwortet: Nichts ist dort im Archiv vorhanden
Eine Frage zum Problem „Wohin mit den Originaldokumenten?“ zum Schluss:
Dringend ist geboten, welche Sportfreundin beziehungsweise, welcher Sportfreund den gesamten Archivfundus aus Altersgründen komplett übernimmt.